Das Statistik-Rätsel
Im Jahr 2020 sind bis zur 32. Kalenderwoche in Deutschland mehr Menschen verstorben — und zugleich weniger.
Wurde mit Corona alles ganz anders? Durchleben wir 2020 ein Jahr, das in der Menschheitsgeschichte seinesgleichen sucht? Ja und nein. Eigentlich könnten wir uns alle freuen. Denn ohne Covid-19 hätten wir im laufenden Jahr bisher erstaunlich wenige Todesfälle zu verzeichnen, und auch mit Covid-19 steht 2020 nicht so schlecht da. Der „Mangel“ an aufgrund anderer Todesursachen Verstorbenen ist aber erstaunlicherweise nie Thema in den Medien. Passen Angst und Drama einfach besser in deren Agenda als Erleichterung und Entwarnung? Der Autor enthält sich der Spekulation und bleibt bei den statistischen Fakten.
„Im Jahr 2020 sind bis zur Kalenderwoche 32 in Deutschland mehr Menschen verstorben — und es sind weniger Menschen verstorben.“
Im Grunde ließe sich der folgende Beitrag in diesem Satz zusammenfassen. Das klingt unlogisch? Ich weiß! Aber wenn man die Zahlen des Robert Koch-Instituts, RKI, und des Bundesamtes für Statistik gegenüberstellt, dann wäre genau dies die Aussage.
Aber da auch mir das unlogisch erscheint, habe ich mir die Zahlen auf Bundeslandebene angesehen. Was ich dort sehe, macht mir die Dinge aber nicht verständlicher. Im Gegenteil! ... Es sei denn, man würde annehmen, das RKI oder aber das Bundesamt für Statistik hätten für die Gesamtzahlen einfach mal das Vorzeichen vertauscht.
Bevor ich mich aber zu den Zahlen äußere, hier schon einmal für alle Interessierten eine Grafik, die die Zahlen im Vergleich zeigt.
Der Zeitraum reicht von der Kalenderwoche 1 bis 32. Dargestellt sind die vom RKI angegebenen Covid-Toten sowie die Abweichung der gesamten Toten in Deutschland zum Durchschnitt der letzten drei Jahre, also von 2017 bis 2019. Die Daten sind sortiert nach der Höhe der Abweichung.
Kein Zusammenhang zwischen Übersterblichkeit und Covid-Toten
Zunächst ist auffällig, dass die jeweiligen Angaben der Covid-Toten in den Bundesländern keinerlei Zusammenhang mit der tatsächlichen Übersterblichkeit im jeweiligen Land haben. Und in elf Bundesländern sind bisher weniger Menschen verstorben als im Durchschnitt während der letzten drei Jahre. Alle Länder zählen aber Covid-Tote.
Ohne Covid-19 wäre 2020 wohl ein historisch gesundes Jahr und es schneidet auch mit Covid-19 nicht schlecht ab.
Obwohl in Deutschland bis zur 32. Kalenderwoche 9.281 Covid-Tote gezählt wurden, sind im gleichen Zeitraum trotzdem insgesamt 9.510 Menschen weniger verstorben als im Durchschnitt der letzten drei Jahre.
Da uns aber immer wieder vermittelt wird, dass Sars-CoV-2 ein neuartiges Virus ist, könnte man also ableiten, dass ohne Covid-19 bisher etwa 18.791 Menschen weniger verstorben wären als im Durchschnitt. Das entspräche dann etwa 85 Toten weniger pro Tag beziehungsweise etwa 3,2 Prozent weniger Todesfälle. Für diejenigen, denen das wenig erscheint: Für Sterbestatisik-Schreiber und Geldanleger sind 3,2 Prozent ein richtig, richtig hoher Prozentsatz. Für Geldanleger jedenfalls heutzutage und in Zukunft erst recht.
Auf ein Wort zu Nordrhein-Westfalen
Nordrhein-Westfalen weist unter den Bundesländern mit 1.804 die dritthöchste Zahl an Covid-Toten aus. Gleichzeitig ist es dort „gelungen“, 3.144 Menschen weniger sterben zu lassen als im Durchschnitt der drei letzten Jahre. Dieses Wunder ist durch klassische Wissenschaft kaum noch erklärbar und trägt schon fast religiöse Züge. Ich schlage den Titel „Das Wunder von NRW“ vor.
Auf ein Wort zu Bayern
Seit Monaten stapft ein gewisser Herr Söder aus dem Bundesland Bayern mit lautem Schritt und markigem Wort durch die Medienlandschaft und präsentiert sich als prunkvoller, sonnenbeschienener Herr aller Krisen — mit Potenzial auf mehr. Zudem zeichnet er sich durch ein auffälliges Mitteilungsbedürfnis gegenüber anderen Ministerpräsidenten aus, wie man in der gegenwärtigen Situation richtig entscheidet.
Umso überraschender ist dann doch letztlich die Diskrepanz zwischen gesprochenem Wort und gemessener Zahl.
Bayern zählt die höchste Zahl an Covid-Toten, die zweithöchste Zahl an Mehrtoten im 3-Jahres-Durchschnitt und gleichzeitig auch noch die dritthöchste Differenz zwischen Covid-Toten und tatsächlichen zusätzlichen Toten in 2020.
Dies zeigt — wie meist — : Laute Machertöne spiegeln sich nicht zwingend auch in den Resultaten wider. In diesem Kontext überrascht auch das kürzliche Grenz-Test-Debakel überhaupt nicht mehr, sondern scheint eher einer gewissen Stringenz zu folgen.
Nun wird sicherlich der Eine oder Andere einwenden: „Ja! Aber Bayern liegt doch nah an Italien!“ Das ist richtig. Aber Schleswig-Holstein liegt etwa so nahe an Schweden wie Bayern an Italien, Nordrhein-Westfalen grenzt direkt an Belgien und das Saarland direkt an Frankreich. Alles Bundesländer, bei denen medial der Eindruck erzeugt wurde, als wäre dort das neue Herrschaftsgebiet der Walking Dead.
In diesem Zusammenhang schaue jeder noch einmal ganz genau auf die Grafik.
Mir fällt beim Durchlesen meines Textes auf, dass ich mittlerweile in meinen Formulierungen zu einer gewissen Bosheit neige. Daher möchte ich anmerken, dass jeder Tote, ob nun an Covid-19 gestorben oder aus anderen Gründen, immer ein tragisches Schicksal ist, sowohl für die Betroffenen als auch für deren Familien und Freunde! Aber die ständige Negation von Zahlen, Relationen und Zusammenhängen strapaziert mittlerweile meine Geduld …
Quellen und Anmerkungen:
RKI Covid-Datenbank
Bundesamt für Statistik (Destatis)