Das pandemische Theater
Die Corona-Inszenierung bediente sich einer symbolischen Bildsprache, die aus vergangenen historischen Epochen bekannt ist.
„Sie setzen jeden Abend eine Maske auf, und sie spielen, wie die Rolle es verlangt.“ So heißt es in Katja Ebsteins Hit „Theater“. In der Tat konnte man sich beim Corona-Maskenball nie ganz des Eindrucks erwehren, einer Inszenierung beizuwohnen. Einer Tragikomödie genauer gesagt. Die Protagonisten sagten brav ihre Sprüchlein auf, wie sie ihnen vom Dramendichter in den Mund gelegt wurden. Und damit nicht zu offensichtlich wurde, dass das alles nur Schall und Rauch war, weigert sich die Regie bis heute, den finalen Vorhang fallen zu lassen. Der Autor zieht als Medizinhistoriker Parallelen zu früheren Methoden der Angsterzeugung in epidemischen Zeiten — etwa als die Pest in Europa wütete. Und er stellt einen zu selten gesehenen Aspekt in den Vordergrund: Krankheit und Tod kamen schon immer eher zu den Armen.
Europa ist der Kontinent der Pandemien. Vor 675 Jahren öffnete sich der erste Vorhang mit einer vermeintlich europaweiten, verheerenden Pest, die bei genauerem Hinsehen nicht schlimmer als „COVID-19“ gewütet hat. Das Theater der Pandemien war immer gut für große Gefühle. Schließlich war man im besten Schiller’schen Sinne eine „moralische Anstalt“.
Das pandemische Theater war nie Selbstzweck, sondern wollte die Welt und die Menschen erziehen und für einen Reset vorbereiten. Gespielt wurden allerdings ausschließlich Tragödien oder allenfalls Tragikomödien.
Man gastierte selten in der Provinz. Es mussten schon die Metropolen sein, die als Bühne infrage kamen. Da aber bis ins 19. Jahrhundert 90 Prozent der Bevölkerung auf dem Land und in kleinen Städten lebten, ist klar, dass es bei keiner „Pandemie“ zu einer europaweiten Bevölkerungskatastrophe gekommen sein kann.
Ein Vergleich zum Theater drängt sich nicht nur durch die Diskrepanz zwischen Seuchennarrativen und Wirklichkeit auf. Es gab immer eine Inszenierung und Kostüme. Wenn nicht passend zum Ereignis, so dann wenigstens retrospektiv. Alle heute bekannten Kostümierungen waren medizinisch wirkungslos, aber gefühlsstark. Panik sollte die Menschen bei der Stange halten. Dazu gehörten der vermeintliche Pestarzt im Kostüm eines Totenvogels, die Gesichtswindel amerikanischer Amtspersonen während der „Spanischen Grippe“ und zuletzt der Ganzkörperoverall in Weiß mit blauen Streifen.
All diese Maskeraden waren weniger verbreitet als bildwirksam. Das Totenvogelkostüm wurde bis heute zum Prototyp einer ärztlichen Schutzkleidung, die sie nie war. Weder in Texten noch auf Bildern gibt es Belege für eine medizinische Verwendung. Es handelt sich um eine Umzugsfigur winterlichen Brauchtums. Vögel als Inkarnationen toter Seelen durften dabei nicht fehlen. 1918 trugen nur Amerikaner Mund-Nase-Bedeckungen. Sonst niemand. Der heutige Schutzoverall medizinischer Angestellter zur Behandlung Grippekranker war sinnfrei.
Und natürlich brauchte es immer Särge. Auch wenn diese erst ab dem 17. Jahrhundert den heutigen Emotionswert bekamen. Bis dahin wurden Menschen in Leintüchern oder Säcken bestattet. Holzsärge waren teuer und kosteten Sargsteuer. Särge hätten die Verwesung der Toten auf den räumlich beschränkten Friedhöfen verzögert. Aber Särge wurden zu dem Symbol pandemischen Sterbens, sodass auch für Seuchenereignisse der ersten dreihundert Jahre entsprechende Bilder verfertigt und rückdatiert wurden. Beim Sonntagsgottesdienst sollten die Gläubigen in pandemiefreien Intervallen nie vergessen, dass nach einer „Pest“ vor der nächsten „Pest“ war. Im jahrhundertelangen Durchschnitt alle 8 bis 10 Jahre.
Ohne den Rückgriff auf die Traditionslinie früherer Aufführungen hätte „COVID-19“ nicht funktioniert. Schon gar nicht über drei geschlagene Jahre wie in Deutschland und Österreich. Nicht umsonst veröffentlichte das amerikanische Magazin Forbes ein auf Ähnlichkeit ausgelegtes Doppelporträt von Dr. Fauci mit einem damaligen New Yorker Arzt, den man als Helden der „Spanischen Grippe“ inszenierte. Dafür hatte man schon in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vorgebaut, indem man aus den üblichen Grippeereignissen zum Ausgang des Ersten Weltkriegs das angebliche Influenzamonster der „Spanischen Grippe“ zusammenzimmerte.
Erst 2006 wurde mit der Identifizierung eines H1N1-Virus in 5(!) Leichenpräparaten als vermeintliche Todesursache für alle weltweiten Sterbefälle der fraglichen Zeit das Narrativ einer „Todesgrippe“ festgeklopft. Ungeachtet erdrückender Beweise dafür, dass es auch damals nur die übliche Grippe mit den und ohne die verschiedensten Viren gab. Überall, wo eine Übersterblichkeit registriert wurde, zeigen Inzidenzkarten der Sterbefälle das bunte Bild ganz unterschiedlicher Sterbehäufigkeiten auf engem Raum, das mit einem Infektionstod unvereinbar ist. Es besteht nicht einmal eine Korrelation zur Altersstruktur der Städte und Landkreise, die es aber geben müsste, da bei Epidemien immer bevorzugt ältere Menschen sterben.
In den zeitgenössischen Medien war die „Spanische Grippe“ nur ein Thema, bis die ersten Grippefälle auftraten und sich keinerlei Besonderheiten zeigten. Eine Doktorandin, die Medien der Zeit auswertete, konstatierte, dass „der Kölner Bürger hauptsächlich aus der Zeitung davon erfuhr“. Wie bei „COVID-19“ war es auch bei „Spanischen Grippe“ immer dort schlimm, wo man sich gerade nicht aufhielt. Selbst der Generalstabschef des Heeres, Erich Ludendorff, der am ehesten einen Sündenbock für die militärische Niederlage gebraucht hätte, hielt die schlechte Stimmung der Truppe und den Mangel an Kartoffeln für kriegsentscheidender.
Und noch eine Gemeinsamkeit mit „COVID-19“: Wenn die Grippekranken nicht an Hunger, Kälte und Hoffnungslosigkeit starben, dann waren es die haarsträubenden Therapien. Auf der Jagd nach einer umgehenden Heilung, die Berühmtheit versprach, injizierte man den Kranken Quecksilber, Strychnin, Terpentin oder Milch. Im März 2020 war es die Kombination aus Beatmung, Remdesivir, Hydroxychloroquin in tödlicher Dosierung und der gänzliche Verzicht auf Antibiotika, die nur an einigen wenigen Orten in Europa Särge produzierte. Diese mussten dann auch noch für eine fernsehreife Inszenierung in Bergamo gesammelt werden.
Es gab zu keiner Zeit irgendwo ein Massensterben durch Seuchen. Wenn an bestimmten Orten vermehrt Menschen krank wurden und starben, dann traf es immer vornehmlich die Armen. Ob bei der Pest, den Pocken oder der Cholera. Die Oberschicht hatte sich vorher aus dem Staub gemacht.
Apokalyptische Bevölkerungsreduktionen um ein Drittel oder die Hälfte waren Erfindungen von Historikern. Was so alles in die Geschichte importiert wurde, kann man ausführlich in „Hauptsache Panik. Ein neuer Blick auf Seuchen in Europa“ nachlesen oder im Vortrag vom 2. Corona-Symposium in Berlin nachhören.
Seuchen kamen oder wurden zugelassen, wenn sie gebraucht wurden. Seuchen gingen, wenn sie nicht mehr geglaubt wurden. Schon bei der ersten Pest von 1347 bis 1352 gab es ganze Landstriche wie Franken, Böhmen und Polen oder Städte wie Mailand, die nicht mitgemacht haben. Dort zeigen selbst heutige offizielle Pestkarten grüne Freiflächen, die die angeschuldigten Rattenflöhe nicht ausgespart haben können.
Hier können Sie das Buch bestellen: „Hauptsache krank? Ein neuer Blick auf die Medizin in Europa“