Das mörderische System
Nicht nur Trump betreibt eine Politik der neoliberalen Zerstörung.
Während die Einschränkung von Freiheiten unter Präsident Trump zunehmend faschistoide Züge aufweist, sollten wir eines nicht vergessen: Wesentliche Weichen für diese Entwicklung stellte sein Vorgänger Barack Obama. In seinem Essay deckt der Aktivist Ajamu Baraka die wichtigsten Zusammenhänge auf.
Trump und die Politik neoliberaler Zerstörung
von Ajamu Baraka
Spätestens seit der skandalösen Entscheidung des Weißen Hauses, einem sich als Reporter ausgebenden CNN-Propagandisten die Teilnahme an den Pressekonferenzen zu verwehren, merken immer mehr Menschen, wie sehr unsere Pressefreiheit vom „Recht auf Wissen“ und einem ungestörten Informationsfluss abhängt. Wir müssen uns jedoch die Frage stellen, weshalb sich kaum jemand sorgte, als die Demokraten unter Obama das Spionagegesetz dazu nutzten, Whistleblower und Journalisten hinter Gitter zu bringen.
Wo bleibt der Aufschrei?
Wo bleibt der Aufschrei, in Zeiten, da es so aussieht, als würde die ecuadorianische Regierung Julian Assange an die westlichen Geheimdienste ausliefern, weil er Dokumente über deren schändliches Handeln veröffentlicht hat?
Und wo versteckten sich die Verteidiger unseres Rechts auf Wissen, als der Staat mit Privatkonzernen wie Google, Twitter und Facebook kollaborierte, um unsere politische Rede- und Informationsfreiheit abzuändern und einzuschränken?
Angesichts der sich verschärfenden ideologischen Grabenkämpfe werden Einige oft als nicht genügend anti-Trump oder seltsamerweise sogar als „pro-Trump“ denunziert, die in ihrer Analyse über jene opportunistischen und simplifizierenden Muster hinausgehen, welche sich lediglich mit bestimmten Persönlichkeiten und individuellen Verhaltensmustern beschäftigen, und sich stattdessen auf handfeste Interessen, Strukturen und Klassengegensätze konzentrieren.
Obamas Zentrum für Propaganda
Aber es war nun mal nicht Trump sondern Obama, der 2017 in den letzten Tagen seiner Amtszeit zusammen mit unseren beiden kapitalistischen Parteien das „Gesetz zur Abwehr ausländischer Propaganda und Desinformation“ im Nationalen Verteidigungshaushalt verankerte, ein Gesetz, das zur Einrichtung eines Zentrums für Propaganda im Außenministerium führte, welches in den USA Psychologische Operationen (PSYOPs) in Zusammenarbeit mit Privatunternehmen und Geheimdiensten durchführt.
Der verhaltene Widerstand oder gar die entschiedene Unterstützung vonseiten der liberalen Demokraten ist nicht nur ein klarer Fall von Heuchelei. Vielmehr ist es auch eine vorsätzliche ideologische Position, die bestimmte Aussagen und Informationen für akzeptabel hält, andere hingegen nicht. In einer Zeit, in der die kapitalistische Akkumulation ein solches Ausmaß erreicht hat, dass gerade einmal sechs Konzerne mehr als 90 Prozent der Inhalte der Mainstream Medien kontrollieren, sollte sich eigentlich keiner, der noch zum kritischen Denken in der Lage ist, über die zunehmende Einengung dessen wundern, was als „berichtenswert“ betrachtet wird.
Unsere werten Demokraten machen sich also der Komplizenschaft schuldig, da sie mithelfen, jene Lüge aufrechtzuerhalten, der zufolge unsere kapitalistische Presse unparteiisch und objektiv sei.
Es gibt keine Wahrheit
Natürlich hat jedes Nachrichtenportal, egal ob RT, New York Times, BBC oder auch Fox News, eine bestimmte redaktionelle Ausrichtung. Man kann daher immer von einer gewissen Voreingenommenheit ausgehen.
Allerdings sollte keines dieser Medien von sich behaupten dürfen, es repräsentiere eine „universelle Wahrheit“. Indes müssen wir den ungehinderten und freien Informationsfluss fordern und das ganz besonders im Hinblick auf nicht-privatwirtschaftliche und nicht-staatliche Sektoren.
Die Verteidigung dieses Menschenrechts bedeutet keine Kapitulation vor kleinbürgerlichen Empfindsamkeiten, sondern vielmehr, dass wir dieses „demokratische“ Recht als eine objektive Notwendigkeit für radikale Kräfte in einer Zeit erkannt haben, in der Staat und Privatwirtschaft gemeinsam Rede- und Informationsfreiheit unterdrücken.
Menschenrechte unter Beschuss
Das offen autoritäre Auftreten der Trump-Administration sowie jener Mächte, die sie repräsentiert, ist für progressive Kräfte allerdings auch eine Chance, den politischen Diskurs zu verschieben.
Denn während die Verschleierung des einseitigen Klassenkampfes gegen Arbeiterschaft, Arme und Farbige in den USA die radikale Opposition 40 Jahre lang entwaffnet und in die Irre geführt hat, sind spätestens seit der Finanzkrise von 2007/8 die systemischen und unvereinbaren Widersprüche des neoliberalen kapitalistischen Projekts für jeden offen zutage getreten, wenngleich die meisten nicht das theoretische Werkzeug hatten, um alles richtig einzuordnen.
Doch die Agenda der Oligarchen und die systematischen Attacken auf die Menschenrechte, sowohl auf individueller als auch kollektiver Ebene, zur Durchsetzung dieser Agenda können nun nicht länger verborgen werden.
Nichtsdestoweniger glaubte man, man könnte die allzu scharfen Kanten dieser Angriffe durch das passende Wahrnehmungsmanagement etwas glätten, selbst als der Staat seine repressiven Kapazitäten immer weiter ausbaute. Das transnationale Kapital mit seinem Hauptsitz in den USA betraute einen gewissen Barack Obama mit dieser Aufgabe.
Angriffe auf die Pressefreiheit
Die Obama-Regierung arbeitete von Anfang an eng mit den Gerichtshöfen und dem Kongress zusammen, um demokratische Rechte abzubauen und die repressiven Möglichkeiten des Staates zu stärken, wozu auch der Mord an amerikanischen Zivilisten gehört.
Der Journalist James Risen entging nur deswegen einer Haftstrafe, weil er für die New York Times arbeitete. Gleichzeitig jedoch wurden Whistleblower wie John Kiriakou, der Bushs Folterprogramme enthüllte, oder auch Chelsea Manning, die Beweise für Kriegsverbrechen der US-Armee im Irak vorlegte, zu Gefängnisstrafen verurteilt, letztere gleich für 35 Jahre.
Trotz dieser offenen Angriffe auf die Pressefreiheit sind viele Mainstream-Journalisten voller irrationalem Hass auf Julian Assange und WikiLeaks. Dabei sind die Ausweitung der Überwachung durch die NSA sowie die Beschuldigung von Journalisten als Whistleblower nichts weiter als systematische Attacken auf die Pressefreiheit, die jedoch angesichts der Theatralik der Trump'schen Tiraden auf die Presse verblassen.
Aber James Risen hat ja festgestellt, dass „Trump, wenn er einen Whistleblower ins Gefängnis steckt, weil jener versucht hat, mit einem Journalisten zu sprechen, oder wenn er das FBI auf einen Reporter ansetzt, sich dann vor allem bei einem Mann für diese neue Machtfülle bedanken muss: Barack Obama".
Mit dieser objektiven Realität müssen wir uns auseinandersetzen. Notwendig hierfür ist ein scharfer Verstand, der frei ist von übermäßiger Emotionalität, kleinbürgerlichem Moralismus und liberalen Propagandatechniken. Denn das alles ist ja letztendlich nur dazu da, unser Verständnis dafür zu schwächen, dass der Staat mit seinen Geheimdiensten und seinem Militär unser aller Feind ist, weil er immer nur den Interessen der herrschenden Klasse dient.
Systemische Beherrschung
Trump, Sanders, Obama, Mueller und CNN sind nichts weiter als ideologische Ablenkungsmanöver, die unsere Wahrnehmung trüben und gleichzeitig verhindern sollen, dass wir die hässliche Realität unserer systemischen Beherrschung verstehen.
Der Faschismus ist eine spezifische Ausformung kapitalistischen Verfalls. Obwohl Trumps Proto-Faschismus sicherlich gefährliche Tendenzen aufweist, dürfen wir nicht den Fehler machen, in die politische und ideologische Sackgasse des „Anti-Trumpismus" zu laufen. Stattdessen müssen wir den Fokus unserer Analyse und Agitation auf die bestehenden Strukturen des rassistischen und kolonialistischen weißen Patriarchats richten – und nicht auf einzelne Individuen und Personen. Andernfalls würden wir nur die ideologische Schmutzarbeit der herrschenden Klasse verrichten.
Ajamu Baraka ist der Bundesorganisator der Black Alliance for Peace und war im Jahre 2016 der Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten der Grünen Partei. Er ist Redakteur beim Black Agenda Report und arbeitet außerdem bei Counterpunch mit.
Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst unter dem Titel „Trump and the Politics of Neoliberal Destruction". Er wurde vom ehrenamtlichen Rubikon-Übersetzungsteam übersetzt und vom ehrenamtlichen Rubikon-Korrektoratsteam lektoriert.