Das Leben ist schön!
Wenn wir vergessen, dass die Welt ein guter Ort ist, verlieren wir uns selbst.
Na, haben Sie ihn gespürt, den Widerstand beim Lesen der Überschrift? Haben Sie sich vielleicht gefragt, wie man denn bitte auf den Schuh kommen kann, angesichts von Millionen von Kriegstoten auf der Welt zu behaupten, dass das Leben schön sei? Man schafft es vielleicht mit Ach und Krach, angesichts der nicht enden wollenden Berichte von Krieg, Korruption, Schulen- und Schuldenkrise keine Depression zu bekommen, aber das Leben soll schön sein?
Die Antwort ist: Ja!
Selbstverständlich will ich niemanden, der durch Leid und Schmerz traumatisiert ist, obendrein auch noch damit verhöhnen, dass er sich doch nur an die Schönheit des Lebens zu erinnern habe, dann werde das schon.
Vielmehr behaupte ich:
Es ist eine der wichtigsten Strategien psychologischer Kriegsführung, uns unser Recht auf ein schönes und erfülltes Leben auszureden! Seien wir also ganz unbedingt auf der Hut! Wenn wir uns von der Vorstellung dessen trennen lassen, was das Leben an Schönem zu bieten hat, dann sind wir unverbunden mit einem elementaren Teil von uns als Mensch:
„Da Unterdrückung und Repression existieren, spiegeln sie die menschliche Natur wider. Dasselbe gilt für Sympathie, Solidarität, Liebenswürdigkeit und die Sorge um andere. Jetzt müssen wir uns bemühen, diese positiven Seiten der menschlichen Natur zu stärken.“ (Daniele Ganser)
Leiden gehört also zum Menschsein. Ein erfülltes Leben allerdings auch. Es liegt also in unserer (Friedens-) Verantwortung, dem Bewusstsein für Leid ein Bewusstsein für die Schönheit des Lebens an die Seite zu stellen.
Nicht allein der Schmerz ist der Lehrer in der Schule des Lebens.
Der Italiener Roberto Benigni hat Ende der Neunziger Jahre in seinem Film „Das Leben ist schön“ künstlerisch und beinahe poetisch umgesetzt, wie sehr Kreativität und unbedingte Suche nach dem Schönen auch in schwierigen und gespannten Zeiten stärken und helfen, zu überleben. Seine Geschichte eines jüdischen Vaters, der im Zweiten Weltkrieg in ein Konzentrationslager deportiert wird und der seinem Sohn unbedingt die Vorstellung erhalten will, dass das Leben schön ist, rührt noch heute zu Tränen. Die Vorstellung davon, dass das Leben schmerzhaft sein kann, gleichzeitig jedoch auch Fülle und Schönheit bereithält, spricht etwas Ursprüngliches im Menschen an.
„Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.“ (Antoine de Saint-Exupery)
Mit der Suche nach der Schönheit des Lebens verhält es sich ebenso, deshalb werden Geschichten eines erfüllten Lebens vielleicht so selten erzählt oder als trivial abgetan. Doch man bedenke:
Wer die schönen Seiten des Lebens nicht kennt, fordert sie auch nicht ein!
Machen wir ein kleines gedankliches Experiment. Stellen Sie sich vor, Sie begegnen jemandem, der Ihnen von seinen Krankheiten erzählt, von seinem Leid, von dem Leid seiner Nachbarn. Welche Gefühle kommen in Ihnen hoch?
Stellen Sie sich dann vor, Sie begegnen auf dem Weg zufällig einem Menschen, der Ihnen zuruft, dass er einen Liebesbrief bekommen habe, oder dass seine Tochter geboren sei. Welche Ausstrahlung hat er oder sie? Mit welchen Gefühlen gehen Sie nach Hause? Dann stellen Sie sich die Frage, bei welcher der Erzählungen sie schönere Gefühle haben? Was zieht sie an, was stößt sie ab?
In dieser Weise können wir üben, überhaupt wahrzunehmen, welche Wirkung eine positive Vorstellung vom Leben hat.
„Wer bin ich, wenn ich ein schönes und erfülltes Leben habe?“ ist eine wichtige Frage auf dem Weg zur Auflösung innerer und äußerer Trennlinien und Konflikte im Menschen.
So ist die Frage nach einem schönen Leben keine rein private, sondern eine, die tief in die Gesellschaft ragt.