Das lauteste Schweigen

Machtkalkül und falsch verstandenes Schuldgefühl motivieren USA und Europa, das unfassbare Verbrechen Israels an der Bevölkerung von Gaza durchzuwinken.

Der Mächtige kann sich alles erlauben, und niemand fällt ihm in den Arm. Die USA praktizieren das global seit vielen Jahrzehnten: Landraub, gewaltsame Regimewechsel, kriegerische Angriffe überall auf der Welt, die verbrannte Erde hinterlassen und gewachsene Kulturen zerstören. Israel ist darin der Musterschüler des großen Bruders jenseits des Atlantiks. Das Militär des Landes hat mittlerweile etwa 35.000 Menschenleben zerstört, und die Welt schaut zu. Was Deutschland betrifft, so ist es ausgerechnet ein kollektives Schuldtrauma, was das Land nun in neue Schuld hineinzutreiben scheint. Es zeigt sich die Weigerung oder die Unfähigkeit, die Lage in Nahost adäquat und umfassend zu analysieren. Die noch überlebenden, unsäglich leidenden Menschen in Gaza brauchen jetzt eine Beendigung des Massakers, nicht immer neue, fantasievolle Begründungen, warum dieses angeblich gerechtfertigt sei. Eine Rede von Gabriele Gysi auf der Fahrraddemo in Berlin am 28. April 2024.

Worauf es ankommt?

Das Unsagbare sagen? Das Unsagbare als Schweigen? Ein lautes vernehmliches Schweigen in die Welt schreien.

Es ist Mord an über 30.000 Menschen, täglich wird neues barbarisches Unglück lächelnd mit stereotypen Begründungen fabriziert.

Aber die Welt soll zuschauen.

Wir können das heute, es gibt moderne Möglichkeiten, die Hölle sichtbar zu machen. Verzweiflung zu versenden und zeigen, wozu Macht sich das Recht nehmen kann. Was US-amerikanische Allmacht machen und durchsetzen kann. Denn viele Diener der Allmacht dienen herrschend, herrschen dienend im Gleichschritt. Auch die Propaganda zeigt im Gleichschritt, was sie leisten kann.

Die von vielen Israelis in Frage gestellte Regierung Benjamin Netanjahus hat den Ausnahmezustand erklärt und die Macht über dieses kleine Land an sich gerissen. Jede Frage, jede Kritik verboten. Aber warum wird jeder Gedanke an Frieden verboten?

Südafrika klagt vor dem Internationalen Gerichtshof gegen israelischen Völkermord, Nicaragua klagt gegen deutsche Beihilfe zum Mord. Die Menschheit braucht keine allmächtige Führung, die Gehorsam militärisch durchsetzen will und sich mit immer neuen Begründungen die Lizenz zum Töten anmaßt.

Palästinenser werden ermordet, auf brutalste Weise werden Frauen, Männer, Kinder geschlachtet ohne wirkliches Schlachtfeld, getrieben, gejagt, verstümmelt, verhungert. Und wir bleiben zurück als Menschen, die ihr Menschsein verloren haben. Auch wir haben Grund uns zu wehren. Der transhumanistische Mensch ist kein Mensch mehr.

Es darf nicht sein, das Allmachtfantasien der Herrschaft auf diese Weise durchgesetzt werden. Die Vorstellung wie, mit welchen Begründungen auch immer, die Menschheit zu regieren sei, zwingt die US-amerikanische Oligarchie zu vielen Verbrechen.

Immer neue Feinde werden konstruiert und bekämpft. Krieg zieht über den Erdball. Der Russe, der Chinese, der Iraner, sogar die Palästinenser bedrohen die Menschheit. Wer wird es morgen sein? Offensichtlich werden eigene Ansprüche der Macht auf andere Nationen oder Völker projiziert. Eigene Weltherrschaftsansprüche, grenzenlos, über die Erde verteilt. Doch der Feind ist die eigene Frage als Gestalt.

Das konstituieren von Nationen, als amerikanisches Nationbuilding mit amerikanischen Zielen, führt überall zu Kriegen.

Das Zerschlagen anderer Kulturen, das Entwickeln ethnischer Konflikte, ist in jüngerer Zeit an vielen Orten der Erde umgesetzt und in Weiterführung kolonialer Politiken erfolgreich. Die Vorbereitung auf den nächsten Krieg in Asien läuft. Nach welch transhumanistischem Menschenbild soll die Menschheit geformt werden. Statt Kooperation wartet allmächtige Herrschaft zu Wasser, zu Land, in der Luft, im All, in der Digitalität, in jedem einzelnen Menschhirn auf kognitive Kriegsführung? Du wirst nichts besitzen und glücklich sein.

Landraub als Grundlage von Macht? In Gaza wiederholt sich die amerikanische Gründungsgeschichte als Voraussetzung der Macht der Mächtigen.

Sie schreibt sich hinter dem Rücken der Oligarchie als Dummheit und Denkverbot in das Handeln der Oligarchie und ihrer wie Zinnsoldaten herrschenden Diener.

Heute ist sichtbar, dass Zionismus keine Grundlage eines modernen Staates sein kann. Seit 1948 wird die biblisch begründete Forderung für ein Volk ohne Land zur Vertreibung von palästinensischen Menschen als ein Volk ohne Staat auf brutale Weise durchgesetzt. Diese Begründung für Verbrechen lässt den Zionismus für viele Juden in der Welt als Grund zur Kritik an Israel erscheinen. Ich denke mit Chaas Freeman, dass die gedankliche Grundlage des Zionismus nicht gelten kann. Denn ein Land ohne Volk für ein Volk ohne Land gibt es nicht.

Auf diese Weise ist Israel heute ein vor allem US-amerikanisches militärisches Projekt zur Beherrschung des Nahen Ostens. Dass ethnische Säuberungen, brutaler Rassismus gegen die Palästinenser die Folge dieses Projektes sind, interessiert nicht.

Doch die Palästinenser können und dürfen nicht deutsche, europäische und US-amerikanische Verbrechen durch unendliches Leid sühnen müssen.

Die westliche Wertgemeinschaft zeigt der Welt worum es geht, um Herrschaft, militärisch, ökonomisch, kulturell. Alle moralischen Predigten werden durch dieses öffentliche Morden in Palästina als zynisches Lügen sichtbar.

Shlomo Sand hat die Geschichte Israels neu erzählt, ihrer biblischen Märchenhaftigkeit beraubt. Hier gibt es kein Volk ohne Land, sondern ethnische Vielfalt, mit gemeinsamem Glauben durch vorzeitliche Missionierung durch jüdische Rabbiner. So entstand jüdisches Leben von Äthopien bis Russland. Es gibt schwarze und weiße jüdische Gläubige. Die Palästinenser wären dann die Nachfahren der jüdischen Bauern. Der verlorene Krieg gegen die Ägypter lässt die jüdischen Bauern über Jahrhunderte zu Palästinensern werden. Eine Erzählung der Geschichte Israels, die dieses kleine Land in die Geschichte des Orients einordnet und nicht an die jüngere deutsch-jüdische Geschichte und das amerikanische Nationbuilding binden würde. Muss der propagandistisch missbrauchte Gehalt der Bedrohung Israels zur Rechtfertigung von Verbrechen verewigt werden? Sollen keine neuen Erkenntnisse gestattet sein?

Der israelisch palästinensische Konflikt beginnt nicht am 7. Oktober 2023. Generationen von Palästinensern sind Vertreibung und Unterdrückung ausgesetzt worden. Jeder Kompromissvorschlag zur Gestaltung von friedlichem Zusammenleben ist durch US-amerikanisches Veto in der UNO, US-amerikanische Militärhilfe und Drohungen gegen die ganze Region jahrzehntelang verhindert worden. Auch deutsche Waffen verhindern den Frieden.

Gaza/Gaza ist schreiendes Schweigen, weil unsagbares Leid geschieht, jetzt in diesem Moment.