Das Kriegsverbrechen
Ein Angriff der USA auf den Iran wäre illegal.
Ethische Bedenken gegen die aggressive Politik der USA gegenüber Iran sind berechtig; darüber wird aber leicht vergessen, dass schon die Androhung von Gewalt einen Bruch mit dem Völkerrecht darstellt. Mit jeder Missachtung internationalen Rechts, die die Weltgemeinschaft duldet, stirbt ein Stück Rechtssicherheit. Es herrscht dann nur noch das nackte Recht des Stärkeren. Es ist bekannt, dass die gegenwärtige Eskalation gewollt ist. Aus humanen wie auch grundsätzlichen Erwägungen sollten sich jetzt alle, die Einfluss haben, den Kriegsplänen der USA entschlossen entgegenstellen.
Am 13. Juni 2019 soll der Iran zwei Öltanker im Golf von Oman angegriffen haben, behaupten die USA, ohne Beweise vorzulegen. Betroffen waren die Schiffe Kokuka Courageous und Front Altair. Der Iran wies die amerikanischen Behauptungen als „unbegründet“ und „haltlos“ zurück. UNO-Generalsekretär Antonio Guterres forderte eine unabhängige Untersuchung.
Die USA arbeiten seit Jahren an einer Eskalation gegen den Iran.
Dies obschon das in der UNO-Charta verankerte Gewaltverbot klar sagt: Alle UNO-Mitgliedstaaten „unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede Androhung oder Anwendung von Gewalt“. Ein militärischer Angriff der USA auf den Iran wäre illegal.
Die USA haben die UNO-Charta wiederholt ignoriert. Im Jahre 1953 hat der US-Geheimdienst CIA zusammen mit dem britischen Geheimdienst MI6 die demokratisch gewählte Regierung von Premierminister Mohammad Mossadegh im Iran gestürzt. Das war ein klarer Verstoß gegen das UNO-Gewaltverbot.
Im Mai 2018 sind die USA aus dem Atomabkommen mit dem Iran ausgestiegen und haben neue Sanktionen gegen den Iran verhängt, die nicht nur Ölexporte verhindern, sondern den Iran auch vom internationalen Zahlungsverkehr abgeschnitten haben. Die US-Sanktionen erzeugen derzeit im Iran viel Leid. Bekannt ist, dass John Bolton, der Sicherheitsberater von US-Präsident Donald Trump, auf einen Krieg mit dem Iran drängt.
Der neuste Zwischenfall im Golf von Oman ereignete sich, als der japanische Ministerpräsident Shinzo Abe gerade einen Staatsbesuch in Teheran absolvierte und versuchte, die Spannungen zwischen den USA und Iran abzubauen. Das war daher brisant, weil der Tanker Kokuka Courageous der japanischen Reederei Kokuka Sangyo gehört, die ihren Hauptsitz in Tokio hat. Das Schiff fährt zwar unter der Flagge von Panama und die 21 Besatzungsmitglieder an Bord sind allesamt philippinische Seeleute. Doch das Schiff gehört den Japanern, auch wenn für den Betrieb die Hamburger Reederei Schulte zuständig ist.
Die japanischen Medien haben intensiv über den Zwischenfall berichtet. Wurde der japanische Öltanker Courageous von Drohnen getroffen? In einem englischsprachigen Bericht der japanischen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt NHK sagte Yutaka Katada, der Präsident der Schifffahrtsgesellschaft Kokuka Sangyo, der Angriff sei gemäß den Aussagen der Crew aus der Luft erfolgt: „Ich habe Berichte erhalten, dass sie etwas gesehen haben, das auf sie zuflog, dann gab es eine Explosion und dann gab es ein Loch im Schiff.“ Katada sagte, sein Schiff sei nicht durch eine Mine oder ein Torpedo beschädigt worden. Der Schaden am Schiff sei weit oberhalb der Wasserlinie entstanden.
Auf den vom US-Militär veröffentlichten Fotos sieht man zwei Löcher in der Wand der Courageous. Diese befinden sich ganz deutlich oberhalb der Wasseroberfläche. Torpedos explodieren aber unter der Oberfläche. Auch Haftminen werden von Kampftauchern unterhalb der Wasseroberfläche angebracht, weil ansonsten kein Wasser in das Loch einfließen kann und das Zielobjekt nicht sinkt.
Historische Beispiele, wie ein Schiff mit einer Mine versenkt wird, gibt es viele. Am 10. Juli 1985 haben zum Beispiel Kampftaucher des französischen Geheimdienstes DGSE Haftminen an das Schiff Rainbow Warrior angebracht, das in Neuseeland im Hafen von Auckland vor Anker lag. Das Schiff gehörte der Umweltorganisation Greenpeace, welche gegen die Atomtests von Frankreich auf dem Mururoa-Atoll im Pazifik protestierte. Natürlich ist es illegal, wenn Frankreich ein Schiff in Neuseeland versenkt, das war damals ein Terroranschlag und ein Verstoß gegen das UNO-Gewaltverbot. Das Schiff sank sehr schnell, weil die Haftminen unter der Wasseroberfläche angebracht worden waren.
Das vom US-Militär publizierte Foto von der Courageous ist beschriftet. Zwei rote Pfeile sind zu sehen, sowie der Text „Damage“, was „Schaden“ bedeutet, und „Likely Mine“, was „vermutliche Mine“ bedeutet. Die Erklärung mit der Mine ist aber nicht konsistent mit den Aussagen der Besatzung der Couragous, die von fliegenden Objekten, also einem Luftangriff sprach.
Wer die Medienberichte zum Zwischenfall im Golf von Oman durchschaut, sieht, dass die Geschichte des Pentagons dominiert, und dass die Geschichte der Augenzeugen mit dem Luftangriff wenig diskutiert wird.
Das US-Nahostkommando Centcom hat neben den Fotos auch ein Video in schlechter Qualität veröffentlicht, auf dem zu sehen ist, wie von einem Boot aus ein Gegenstand von einer Schiffsoberfläche entfernt zu werden scheint. Wann und wo das Video aufgenommen wurde, ist für den Beobachter nicht ersichtlich. Das US-Militär behauptet, das Video zeige, wie von der Courageous eine Haftmine entfernt werde. Ob dieser Kommentar zum Video der Wahrheit entspricht, ist unklar.
Der Vorfall im Golf von Oman erinnert an die Geschichte mit den ABC-Waffen, die den illegalen Angriff der USA auf den Irak 2003 auslöste.
In diesem Krieg starben mehr als 1 Million Menschen. Die Geschichte mit den ABC-Waffen stellte sich später als Lüge heraus, und US-Außenminister Colin Powell entschuldigte sich sogar, dass er vor der UNO irreführende Geschichten präsentiert hatte.
Der Vorfall im Golf von Oman erinnert auch an die Tonkin-Lüge, welche 1964 den Vietnamkrieg mit mehr als 3 Millionen Toten auslöste. Damals behauptete US-Präsident Lyndon Johnson, der US-Zerstörer Maddox sei im Golf von Tonkin von vietnamesischen Schnellbooten mit Torpedos beschossen worden. Die USA schickten Bomber über das kommunistische Nordvietnam und landeten mit Truppen in Südvietnam. Erst später stellte sich heraus: Die Maddox wurde niemals von Torpedos getroffen.
Dass die zwei Öltanker am 13. Juni 2019 beschädigt wurden, ist unbestritten. Aber es ist nach wie vor ungeklärt, wie der Schaden erzeugt wurde und wer für die Handlungen verantwortlich ist. Sicher ist: Die Tanker sind nicht gesunken und niemand an Bord starb. Alle Beteiligten sollten daher Ruhe bewahren und auf Deeskalation setzen.
Bildquelle: US Militär Central Command