Das größere Bild
Im Vergleich zur universellen Wahrheit hat die von uns Menschen wahrgenommene Realität den Tiefgang einer Badeente.
Die Erklärung für das Wunder des Lebens, von dem wir ja ein Bestandteil sind, überlassen wir der Wissenschaft, anstatt sie mit dem Herzen zu erfassen und zu erfühlen. Dabei stochert die Wissenschaft doch nur mit der Taschenlampe durchs Universum und verkauft uns das, was zufällig in ihren Lichtstrahl gerät, als endgültige Wahrheit. Das ist lächerlich. Mit der Quantenphysik hat man nun ein Instrument in der Hand, mit dem sich eine Brücke bauen ließe zwischen Verstand und Gefühl, zwischen Religion und Wissenschaft.
In diesem Augenblick liegt der Schrei Neugeborener in der Luft, ist das Röcheln Sterbender um uns. In diesem wie in jedem Augenblick werden Messer in Hälse gerammt, rütteln Gefangene an Gittern, gleiten Zungen in fremde Münder. Es wird Beifall geklatscht in diesem Augenblick und auf Vögel geschossen. Bäume fallen und ein Stein wird Geist. In den Konzertsälen erklingt die Kleine Nachtmusik. In diesem Augenblick werden Unterschriften geleistet, Knochen gebrochen, Lostrommeln gerührt. Es beten Menschen in diesem Augenblick. Rund um den Globus schrillen Telefone, bellen Hunde, starten Jets. Es schneit in den Bergen. Ein Dichter findet endlich ein Wort.
In stillen Buchten genießen Hunderttausende die Einsamkeit. Man tanzt auf den Tischen in diesem Augenblick, operiert, schnarcht und verzeiht. Huren hocken auf Bidets, es werden Brieftaschen gezückt, Liebesbriefe parfümiert und Kartoffeln geschält. Betrunkene fallen von Barhockern, Richter rücken ihre Robe zurecht, alle Welt sagt ICH. Wie viel Stahlhelme werden in diesem Augenblick aufgesetzt? In wie viel Männerhänden glimmt ein Streichholz? Wie viele Frauen zünden sich daran ihre Zigaretten an?
Die Taschendiebe halten ihre Finger geschmeidig, an unendlichen Schwüren richten sich jetzt die Träume auf. Ringe werden geschmiedet und Pläne der Unterjochung. In den Städten frieren Kamele, Frauen bereiten sich auf den Blick in den Spiegel vor, heiß weht das Heroin die Sensiblen an. In den Wäldern geht der Sturm um. Hier und dort erhellen Blitzlichter die Szene. Nachrichten laufen ein in diesem Augenblick. Grenzgänger lassen auf Geheiß die Hosen fallen, Kinder ziehen Regenwürmer lang. Was fühlen die Selbstmörder, die gerade von den Brücken fallen, was die Linksaußen beim Absingen der Nationalhymnen? Präsidenten lassen entscheiden und befummeln ihre Speckkörper. Wir geben Probealarm und Almosen, Verschüttete sind nicht mehr zu retten.
In diesem Augenblick werden Zahlen zu Begriffen, spritzen abgeschnittene Fußnägel an Heizungskörper, tastet die Natur in den Fischen nach Gegengiften, explodieren Tellerminen. In diesem Augenblick erfahren die Todgeweihten von ihrer unheilbaren Krankheit. In diesem Augenblick ist das hysterische Lachen um uns, die Fäulnis, die Stille … In diesem wie in jedem anderen Augenblick springt die Physiognomie eines jungen Gesichts aus der schützenden Unschuld, gewinnt ein Spieler an Einsicht. In diesem Augenblick haben wir eine Chance. In diesem Augenblick galoppiert ein weißes Pony auf die Straße. NDR 2. In diesem Augenblick ist es sieben Uhr. Guten Morgen, meine Damen und Herren, wir senden Nachrichten.
Wenn man sich alle Ereignisse, die auf der Erde stattfinden, als einen lebendigen „Ereigniskörper“ vorstellen würde, käme man zu der Erkenntnis, dass die Struktur dieses Körpers in jedem Augenblick aus demselben Fundus sich endlos wiederholender Handlungen erwächst.
Die Messer, die in diesem Augenblick in Hälse gerammt werden, sind immer in Aktion, wenn auch nicht ganz so häufig wie die Nationalhymnen, die in diesem Augenblick gesungen werden. Jedes Ereignis hat ein ganz bestimmtes Volumen, ein bemessenes Potential, mit dem es zu jeder Zeit zum allumfassenden Leben beiträgt.
Dieses allumfassende Leben bleibt aber größtenteils unerkannt, was natürlich nichts an seiner Vollkommenheit ändert. Aufgrund unseres verkümmerten Bewusstseins gewinnen wir lediglich einen extrem beschränkten Eindruck von der Wirklichkeit. Das Fatale daran ist, dass wir diesen Eindruck für die Realität halten. Aber unsere sogenannte Realität hat den Tiefgang einer Badeente. Ebenso die Wissenschaft, auf die wir so vertrauen. Dabei stochert sie doch nur hilflos mit der Taschenlampe in einem unermesslichen Universum herum und verkauft uns das, was zufällig in ihren Lichtstrahl gerät, als Ultima Ratio.
Nun muss man nicht gleich zusammenzucken, wenn ich unserer Spezies ein verkümmertes Bewusstsein unterstelle. Der vor zwei Jahren verstorbene Physiker Ernst Senkowski meinte, dass die geistigen Niederungen, in die sich die Menschheit verstiegen hat, hausgemacht sind. Er begründete das folgendermaßen: „Unsere Begrenzungen haben wir von klein auf an eingetrichtert bekommen. Dieses System hat eine maßlose Trägheit in sich, weil wir es immer wieder reproduzieren, wir erziehen unsere Kinder immer wieder in dieses System hinein.
Die Ansätze, die wir machen, um unser System an den Grenzen zu erweitern, kranken an Folgendem: Ich kann aus einem begrenzten System nur sehr schwer in ein breiteres oder weiteres System wechseln. Man muss sich das wie einen Trichter vorstellen. Oben ist das erweiterte System und unten sitzen wir. Jetzt wird oben ein Bündel Heu hineingeworfen und bei uns landet allenfalls ein dünner Strohhalm. Damit werden wir noch eine Weile leben müssen.“
Wir sind diejenigen, die sich an den Strohhalm klammern. Wir erkennen gerade noch die Cola, in die wir ihn stecken. Wirklich vertraut sind wir nur mit dem kapitalistischen Cola-Imperium, seinen Gesetzen und seinen scheinheiligen Werten. An ihm orientieren wir uns, das ist unser Maßstab. Den Mut, seinen eigenen Intentionen nachzugehen und sein eigener Wahrheitssucher zu werden, bringen nur noch wenige Menschen in dieser verängstigten, überwachten und auf Sicherheit bedachten Leistungsgesellschaft auf, die mit Hilfe ihrer gleichgeschalteten Medien perfekt auszusortieren versteht, was nicht mit dem Strom schwimmt.
So tapsen wir weiter blind durch das fantastische Mysterium unseres Lebens. Erst wenn unsere Zeit abgelaufen ist und es ans sterben geht, womöglich erst in der Sekunde, wenn unser Atem reißt, wenn wir loslassen müssen und keine Möglichkeit mehr besteht, sich ins vertraute Leben zurückzubeißen, erst dann erkennen wir unsere Defizite, die unsere persönliche Geschichte geprägt haben.
Erst dann sind wir empfänglich für die Wahrheit, die wir so grandios verpasst haben. Für die Wahrheit zum Beispiel, dass jede Substanz in ihrem gegenwärtigen Zustand alle ihre vergangenen und zukünftigen Aufgaben birgt, wie es die Quantenphysik behauptet.
Sie drückt das ganze Universum aus, da nichts vom anderen so weit entfernt ist, dass es nicht Verbindung mit ihm hätte. Der Quantenphysiker Walter Thurner sprach von der Welt als dem Meer der unendlichen Möglichkeiten, in dem alles gespeichert ist, was jemals von irgendeiner Kreatur gedacht oder gefühlt wurde oder noch gedacht oder gefühlt werden wird. Das Meer der unendlichen Möglichkeiten ist das allumfassende Ganze, in dem die Materie nur ein unbedeutender Ausfluss ist.
Mit der Quantenphysik hat man nun ein Instrument in der Hand, mit dem sich eine Brücke bauen ließe zwischen dem religiösen Potential des Menschen und seinem Verstand, zwischen Religion und Wissenschaft. Natürlich ist die Quantenphysik bei klassischen Physikern noch immer umstritten; ihre Schwierigkeit besteht darin, dass sie keine konkreten Beweise auf den Tisch legen kann. Sobald nämlich der Verstand mitspielt, ist das Ergebnis immer infrage zu stellen. Die Quantenwelt ist für den menschlichen Verstand eine No-Go-Area. Im Umgang mit den Quanten dürfen wir uns eben nicht des Verstandes bedienen, sondern müssen lernen, die Botschaften auf andere Weise zu empfangen. Sobald uns das gelingt, geraten wir in Verbindung.
Schon mal was von der Akasha-Chronik gehört? Mit der Akasha-Chronik ist ein übersinnliches Buch des Lebens gemeint, das in immaterieller Form ein allumfassendes Weltgedächtnis enthält. Der Begriff Akasha leitet sich aus dem Sanskrit her und steht für Himmel, Raum oder Äther.
Die Vorstellung eines Weltgedächtnisses hat in Europa eine lange Tradition, sie geht bis auf den antiken Philosophen Plotin zurück, der 200 Jahre vor Christus gelebt hat. Helena Petrovna Blavatsky, die Begründerin der modernen Theosophie, bezeichnet die Akasha-Chronik als Aufzeichnung von allem was war, ist oder je sein wird. Die Urtraditionen wussten, dass es sie gibt und wissen es noch heute, die Kunst weiß es und jetzt weiß es endlich auch ein Teil der Wissenschaft.
Hätten wir nicht auch endlich Lust, uns mit diesen Dingen zu beschäftigen, anstatt ständig Gefahr zu laufen, am Fliegenfänger einer pervertierten Konkurrenzgesellschaft hängen zu bleiben und deren lächerliche Wahrheiten als alternativlos zu verinnerlichen?
Haben wir wirklich vergessen, was Neugierde bedeutet und was sie bewirken kann? Was es bedeutet zu leben, anstatt zu überleben?