Das Foulspiel der Fußballgiganten
Nationale Sportvereine wie der FC Bayern versuchen höchst aggressiv ausländische Märkte zu erobern.
Die Jagd auf fremden Böden hat längst begonnen. Eine Vielzahl an Wilderern aus fernen Landstrichen durchkämmt neues und unbekanntes Terrain auf der Suche nach den zukunftsweisenden Quellen des Reichtums. Im modernen Sprachgebrauch als Globalisierung bekannt, ist es die Kolonialisierung im Namen des Sportes. Der Schaden für das fremde Land bleibt dabei oftmals verborgen.
Nationale Sportwettbewerbe sind jedes Jahr aufs Neue ein spannendes Ereignis. Ein Fan fiebert oftmals für sein Team bis zum letzten Spielzug mit. Sport verbindet und schafft Zusammenhalt in der Gemeinschaft. Jedoch verfallen manche Sportarten zunehmend dem Wahn der Kommerzialisierung. Jedes Jahr sollen Geldströme fließen und die Umsätze ins Unermessliche steigen.
Viele Vereine suchen den Fan, den Zuschauer und den Konsumenten nicht mehr nur auf nationaler Ebene. Sie erforschen neue Kontinente auf der Suche nach Menschen, die den Geldfluss für den Verein nicht abreißen lassen. Die Finanzierung basiert keineswegs mehr nur auf nationalen Interessenten.
Marktraum im Osten
Große europäische Fußballvereine wie der FC Bayern München, Borussia Dortmund, der FC Chelsea, Manchester City oder Real Madrid belagern mittlerweile verstärkt ausländisches Territorium. Die Mannschaften veranstalten groß angelegte Tourneen durch Asien oder die USA. Die Devise lautet: Werbung für den Verein schalten. Der Fußballclub will sich in der Öffentlichkeit eines anderen Landes von der ansehnlichsten Seite präsentieren. Er inszeniert ein minuziös durchdachtes Spektakel und erhofft sich im Gegenzug das Geld vieler Fans und neuer Sponsoren.
Geografische Marktlücken werden vermehrt aus den Landkarten der global agierenden Vereine gestrichen. Eroberungsfeldzüge überqueren auch außerhalb Europas die Ländergrenzen. Zur Verwaltung werden Enklaven errichtet, von denen aus die Eroberung weiter Gestalt annehmen soll. Zudem bauen die Eroberer Ausbildungszentren, sodass die besten einheimischen Spieler schon bald als Legionäre in den Reihen der Eroberer dienen sollen.
Wie rasant der Markt im Fußball von den großen europäischen Vereinen überschwemmt wird, zeigt exemplarisch der FC Bayern München. 2015 kündigte der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge an, in den kommenden Jahren 25 Millionen Euro Umsatz in China machen zu wollen (1). Im Frühjahr 2017 wurde in Shanghai ein Büro errichtet. Ausgehend von diesem Ort soll Sponsoren-Akquise erfolgen und der bayerische Fußballverein besser vermarktet werden (2). Zugleich folgte im Sommer 2017 eine Marketingtour des FC Bayern München durch die Volksrepublik China.
Der Wirtschaftsprofessor Sascha L. Schmidt schrieb in einem Gastkommentar für das Wirtschaftsmagazin Capital, dass der FC Bayern München eine eigene E-Commerce-Infrastruktur aufbaue, also Handelsverkehr, der ausschließlich im World Wide Web stattfindet. Dadurch konnte der FC Bayern München im nächsten Schritt einen Online-Flagshipstore auf Chinas dominierender E-Commerce-Plattform, Alibabas Tmall, eröffnen (3).
Ferner betonte Schmidt: „Das chinesische Team des FC Bayern investiert bewusst viel Zeit in umfangreiche Produktbeschreibungen, in Sonderaktionen, Kampagnen sowie in intensive Kundenkontakte, um den besonderen Gegebenheiten des chinesischen Marktes gerecht zu werden und den im Vergleich zu Europa doch deutlich unterschiedlichen Kundenbedürfnissen der Chinesen Rechnung zu tragen“ (3).
Der Kunde scheint also König und zugleich Subjekt der Begierde zu sein. Diese ausgeklügelte Strategie hat genau ein Ziel: die Erwirtschaftung horrender Gelder aus möglichst vielen Taschen des Landes. Der chinesische Markt wird bis zum letzten Quadratzentimeter ausgelotet. Die Markthoheit steht hierbei an vorderster Stelle. Wen interessieren schon die einheimischen Vereine, wenn ein europäischer Traditionsverein mit weltweit bekannten Fußballstars erst einmal die Bühne betritt?
Gleichzeitig will der FC Bayern München dem hohen Potenzial des chinesischen Fußballs auf die Sprünge helfen. Mit sogenannten Fußball-Schulen in den Städten Qingdao, Shenzhen sowie seit September 2018 auch in Shanxi soll die Verbundenheit zum asiatischen Partner noch stärker symbolisiert werden (4). Dazu erklärte Schmidt: „So wollen die Bayern ihre Nachwuchs- und Trainingskompetenzen nutzen, um eigene Fußballschulen in China aufzubauen und dort zum Beispiel durch spezifische Kurse chinesische Trainer zu fördern“ (3).
Die Richtung ist eindeutig: Das fußballerische Potenzial im bevölkerungsreichsten Staat der Erde darf keineswegs vergeudet werden. Um die größten Talente nicht aus dem Auge zu verlieren, bedarf es eigener Auffanglager. Nur so könne schließlich der Handel nach Europa stattfinden, damit die immer wiederkehrenden, zahlreichen goldenen Trophäen den Vereinsnamen zieren.
Bereits seit mehr als zehn Jahren verfolgen englische Mannschaften wie der FC Chelsea, FC Arsenal, FC Liverpool, Manchester United oder Manchester City ähnliche Pläne. Erst im Herbst 2018 verkündete Manchester City unter anderem die Eröffnung eines zweiten Büros in China. Die großen europäischen Topmannschaften stehen derzeit besonders in Konkurrenz zu den chinesischen Vereinen. Diese locken viele Fußballprofis mit utopischen Millionengehältern ins Reich der Mitte. Die chinesische Regierung hat zudem eine Marschroute bekannt gegeben, dass bis 2050 das Land zur Weltspitze im Fußball gehören wolle (5). Daher investiert der Staat nun auch kräftig in diese Ballsportart.
Nun zeigt sich erst recht, warum es viele Vereine aus Europa dorthin auf Werbetour zieht. Sie wollen den chinesischen Clubs den Markt nicht kampflos überlassen, sie wollen ihn dominieren und kräftig an der Fußball-Industrie mitverdienen. Geld spielt für diese mächtigen Fußballvereine die tragende Rolle – oftmals zum Leid der spielerisch schwächeren Mannschaften des Heimatlandes. Diese sollen im Eroberungswahn schlichtweg unterdrückt werden oder ganz und gar von den Bild- und TV-Flächen verschwinden.
Die spanische Armada
Der spanische Fußball schreitet in seinem Globalisierungsprozess besonders zielstrebig voran. Bereits 2011 begann Real Madrid mit dem Bau einer Fußballakademie inklusive eines umfangreichen Internatsgebäudes. Der Verein leistete damit Partnerschaftshilfe für den chinesischen Verein Guangzhou Evergrande (5).
Diese Form der Unterstützung eines Partners beinhaltet jedoch oft, dass hochkarätige junge Fußballtalente sofort in die europäische Provinz geschickt werden. Schließlich würde spielerisch gleichwertige ausländische Konkurrenz für viele europäische Vereine eine unzumutbare und nicht hinnehmbare Belastung darstellen. Die Folge wäre, dass langfristige finanzielle Einnahmen ausbleiben könnten. Welcher Topklub will dieses Szenario schon Realität werden lassen?
Seit 2011 werden Fußballbegegnungen sonntags in Spanien bereits um 12.00 Uhr angepfiffen. Der Grund dafür ist, dass sich besonders auf dem asiatischen Kontinent das gesellschaftliche Leben nach Sonnenuntergang – also in der europäischen Mittagszeit – abspielt. TV-Zuschauer in Afghanistan, Bhutan, auf den Malediven, in Nepal, Indien und Pakistan sollen eben am Ball bleiben können.
Weiterhin hat Facebook seit Sommer 2018 für insgesamt drei Jahre die Rechte an 380 Spielen von der spanischen ersten Fußball-Liga Primera Division gekauft. Diese fußballerischen Begegnungen werden nun live und gratis in Länder wie Indien übertragen. Wie viel Facebook bezahlt hat, ist unbekannt (6).
Wer nun glaubt, dass China im Fußball ein Einzelfall sei, der täuscht sich. Die USA sind ein weiteres Territorium, auf dem das Fischen in fremdem Gewässer zunimmt. Das selbsternannte deutsche Aushängeschild des Fußballs, der FC Bayern München, hat auch dort einen Leuchtturm errichtet. Bereits seit 2014 besitzt der Verein ein Büro in New York (2). Doch dort ist die spanische Armada der kleinen germanischen Flotte weitaus überlegen.
Die Primera Division schloss im Sommer 2018 einen Vertrag mit einem international agierenden Medienunternehmen namens Relevant ab. Diese Vereinbarung ermöglicht es, dass nun spanische Liga-Spiele in den USA und Kanada stattfinden (7). Der spanische Liga-Chef Javier Tebas meinte dazu: „Es ist unser Auftrag, die Leidenschaft für Fußball in der Welt zu steigern“ (6). Er hätte auch gleich sagen können, dass der Fußball der dominierende Sport auf der Erde sein soll. Und er hätte hinzufügen können, dass besonders der spanische Fußball den Markt bestimmen solle, damit die Geldströme weiter unaufhaltsam dorthin fließen.
Das erste Liga-Spiel in der laufenden Saison 2018/19, das am 26. Januar 2019 zwischen dem FC Girona und dem FC Barcelona im US-amerikanischen Miami stattfinden sollte, wurde im Dezember 2018 abgesagt. Die einzelnen beteiligten Parteien müssten sich noch einig werden, wie bestimmte Fernsehgelder aus erster und zweiter spanischer Liga aufgeteilt werden (8).
Ist es dann nicht nur noch eine Frage des Geldes, bis auch andere nationale Fußball-Ligen ihre Spiele auf jedem erdenklichen Fleck der Erde austragen? Lassen sich die Fußballprofis, Funktionäre, Vereine und Verbände in der Bundesrepublik Deutschland schlussendlich mit den richtigen monetären Beträgen ebenso anlocken? Wie würden die einheimischen Fans reagieren, wenn die Heimspiele der Lieblingsmannschaft quasi outgesourct werden und gar nicht mehr in der Heimat stattfinden? Der Fragenkatalog ist lang und es ist noch längst nicht absehbar, in welcher Form und wie gravierend sich dieser Trend weiterentwickelt.
Die US-amerikanische Invasion
Mittlerweile ist es keineswegs mehr selten, dass nationale Sportereignisse im Ausland oder gar auf anderen Kontinenten der Erde stattfinden. Die National Football League, das heißt die US-amerikanische Profiliga im American Football, lässt seit 2005 in anderen Staaten spielen. Bevorzugte Märkte sind Mexiko und England. Es fanden bereits Spiele im Estadio Azteca in Mexico City sowie im Twickenham-Stadion und im Wembley-Stadion in London statt (9). Die Verantwortlichen der National Football League denken derzeit sogar über Spiele auf deutschem Territorium nach. Zudem werden immer wieder Gerüchte laut, dass eines der Football-Teams seine Heimspiele bald ausschließlich in London austragen soll.
Die Begeisterung für American Football ist in Europa in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Der TV-Sender ProSieben Maxx füllt sogar sein wöchentliches Sonntagabend-Programm mit Live-Übertragungen, Spielanalysen und Reportagen über diese Sportart. Mithilfe von Football-Experten, die diese Spiele live kommentieren, und der Interaktion mit sozialen Medien während der Sendung wird dem TV-Zuschauer in Deutschland eine Unterhaltungs-Show nach US-amerikanischem Vorbild geboten. Die Medienindustrie hat die Zeichen der Zeit erkannt. Zusätzliche Geldströme werden somit mithilfe des deutschen und europäischen Konsumenten akquiriert.
Beim Eishockey ist es derweil ähnlich wie beim American Football. Im Rahmen der Global Series 2018 der nordamerikanischen National Hockey League fand am 6. Oktober 2018 der Saisonauftakt zwischen den Edmonton Oilers und den New Jersey Devils im schwedischen Göteborg statt (10). Anfang November 2018 folgten zwei weitere Spiele der National Hockey League im finnischen Helsinki. Für die Saison ab Herbst 2019 sind Eishockey-Spiele im tschechischen Prag und im schwedischen Stockholm geplant.
Die nordamerikanische Major League Baseball plant erstmals für Sommer 2019 zwei Spiele in London. Hierbei ist die britische Hauptstadt keinesfalls die erste Station außerhalb Nordamerikas. Es gab bereits Baseball-Spiele in Australien, Japan, Mexiko und Puerto Rico (11).
Wer sind die Leidtragenden?
Die Folgen könnten besonders für die jeweiligen einheimischen Vereine in den „eroberten“ Staaten drastisch sein. Sobald sich eine ausländische Mannschaft oder eine Organisation einmal etabliert hat, wird diese den Markt wohl nicht freiwillig verlassen wollen. Die sportlichen Kolonien sorgen für einen Teil der exorbitanten fließenden Geldsummen – die Quellen des Reichtums sollen für einige wenige niemals versiegen.
Die großen europäischen Vereine sowie die amerikanischen Sportorganisationen sind auf diese finanziellen Mittel angewiesen. Egal ob es Gelder von Zuschauern, Medienanstalten oder Sponsoren sind, diese werden gebraucht, um die utopischen Millionengehälter von Spielern, Funktionären und Vereins- und Verbands-Chefs zu bezahlen. Den Einheimischen sprichwörtlich das Feld überlassen? Das wäre ja für eine solche Mannschaft oder Organisation im wahrsten kapitalistischen Sinne „schön blöd“.
Auch die sogenannte Fan-Kultur besonders in den Nationen der „Eroberer“ könnte unter dieser Entwicklung leiden. Mancher Fan und Unterstützer ist dies seit frühster Kindheit. Er spendet neben seinem Geld ebenso Herzblut und Freizeit in den Verein, um neben oft monotoner, unbefriedigender Arbeit einen seelischen Ausgleich sowie Teilnahme am gesellschaftlichen Leben zu finden. Diesen Menschen würde man ein Stück ihrer Lebenskultur wegnehmen und gleichzeitig dem Sport eine jahrelang gewachsene Fan-Kultur entreißen.
Leistungssport besteht nicht nur aus den aktiven Menschen, die ihre Körper zu physischen und psychischen Höchstleistungen antreiben. Dazu gehören zu einem wichtigen Teil die heimischen Unterstützer, das heißt die Betreuer, Funktionäre und besonders die Fans. Sie machen den Sport erst vollkommen.
Quellen und Anmerkungen:
(2) https://www.ispo.com/maerkte/id_79704204/fc-bayern-muenchen-eroeffnet-buero-in-shanghai.html
(3) https://www.capital.de/wirtschaft-politik/wie-der-fc-bayern-china-erobert
(10) https://www.nhl.com/de/news/nhl-verkundet-details-der-global-series-2018/c-296647094