Das Ende des ewigen Kriegs

Die neue Junta in Niger hat die Zusammenarbeit mit den USA aufgekündigt, weil ihr klar wurde, dass derartige „Sicherheitspartnerschaften“ immer zum Schaden afrikanischer Staaten waren.

Die globale Führungsmacht „schützt“ und „unterstützt“ auf der ganzen Welt erstaunlich viele Staaten. Unter anderem wurde Niger Hilfe im Kampf mit dem Terrorismus versprochen. Gelöst wurden die Probleme des nordafrikanischen Landes dadurch jedoch nicht. Im Gegenteil zahlte Niger dafür einen hohen Preis, geriet in Abhängigkeit und wurde überdies in das amerikanische Großprojekt eines ewigen Krieges hineingezogen, der nur den Machtinteressen der „Home of the brave“ sowie der Rüstungsindustrie nützt. Jetzt zog die neue Militärregierung Nigers einen Schlussstrich und kündigte die langjährige Militärkooperation mit den USA auf. Es ist, als ob ein selbstbewusster werdendes Afrika der angemaßten Vormacht zurufen würde: „Nehmt euren Krieg und geht!“ Es ist dies nur die letzte in einer längeren Reihe schmerzhafter Niederlagen für die westliche Dominanzstrategie.

von Nick Turse

In grüner Militärkleidung und blauer Feldmütze erschien Oberst Major Amadou Abdramane, Sprecher für die regierende Junta in Niger, letzten Monat im lokalen Fernsehen, um die USA zu kritisieren und die jahrelange militärische Partnerschaft zwischen den beiden Ländern aufzulösen. „In Anbetracht der Ziele und Interessen ihres Volkes kündigt die nigerische Regierung mit sofortiger Wirkung das Abkommen über den Status des Militärpersonals und der zivilen Angestellten des Verteidigungsministeriums der USA auf“, sagte er und vermerkte mit Nachdruck, dass der seit zwölf Jahren bestehende Sicherheitspakt gegen die Verfassung des Niger verstoße.

Ein weiterer nigerischer Sprecher, Insa Garba Saidou, drückte es deutlicher aus: „Die US-Stützpunkte und -Zivilbediensteten dürfen sich nicht länger auf nigerischem Boden aufhalten.“

Die Ankündigungen erfolgten, als der Terrorismus in der westafrikanischen Sahelzone in die Höhe geschnellt war und nachdem eine hochrangige US-Delegation, darunter Molly Phee, stellvertretende Außenministerin für afrikanische Angelegenheiten, und General Michael Langley, Chef des Afrikanischen Kommandos der USA (AFRICOM) den Niger besucht hatten.

Nigers Zurückweisung seines Verbündeten ist der letzte in einer Reihe von Schlägen gegen Washingtons stotternde Bemühungen zur Terrorismusbekämpfung in der Region.

Auch in Burkina Faso und Mali wurden in den letzten Jahren langjährige US-Militärpartnerschaften vorzeitig beendet, nach Putschen von durch die USA ausgebildeten Offizieren. Tatsächlich war Niger die letzte große Bastion US-amerikanischen militärischen Einflusses in der westafrikanischen Sahelzone.

Solche Rückschläge sind nur die neuesten in einer Reihe von Pattsituationen, Fiaskos oder buchstäblichen Niederlagen, die nun typisch geworden sind für den globalen US-Krieg gegen den Terror. In den mehr als zwanzig Jahren bewaffneter Interventionen sind US-Militärmissionen in Afrika, dem Nahen Osten und Südasien wiederholt gescheitert, darunter auch eine brenzlige Pattsituation in Somalia, eine Intervention in Libyen, die zum Bumerang wurde, sowie regelrechte Implosionen in Afghanistan und im Irak.

Dieser Strudel aus US-Niederlagen und -rückzügen hat mindestens 4,5 Millionen Tote gefordert, darunter schätzungsweise 940.000 durch direkte Gewaltanwendung — mehr als 432.000 davon Zivilisten —, wie das Costs of War Project (Kriegskosten-Projekt) der Brown University errechnete. 60 Millionen Menschen wurden infolge der durch die „ewigen Kriege“ der USA geschürte Gewalt vertrieben.

Präsident Biden hat sowohl behauptet, dass er diese Kriege beendet hat, als auch, dass die USA in absehbarer Zukunft — vielleicht für immer — weiterkämpfen wird, „um das Volk und die Interessen der Vereinigten Staaten zu schützen“. Der Preis dafür war vor allem in der Sahelzone vernichtend, Washington hat jedoch die Kosten zum großen Teil ignoriert, die jene Menschen getragen haben, die von den scheiternden Bemühungen zur Terrorismusbekämpfung am meisten betroffen waren.

„Die Reduzierung des Terrorismus“ führt zu einem 50.000-prozentigen Anstieg des … ja! … des Terrorismus

Etwa 1.000 US-Militärs und zivile Auftragnehmer sind in Niger stationiert, die meisten von ihnen nahe der Stadt Agadez auf dem Luftwaffenstützpunkt 201 am südlichen Rand der Sahara. Der bei den Einheimischen als „Base Americaine“ bekannte Außenposten war der Eckpfeiler eines Archipels von US-Militärstützpunkten in der Region und ist der Schlüssel zur militärischen Machtprojektion der USA in Nord- und Westafrika. Seit den 2010er Jahren haben die USA etwa eine Viertel Milliarde US-Dollar allein in diesen Außenposten gesteckt.

Seit Beginn des globalen Krieges gegen den Terror konzentriert sich Washington auf Niger und seine Nachbarn und lässt den westafrikanischen Nationen militärische Hilfe durch Dutzende von „Sicherheitskooperationen“ zukommen.

Dazu gehört unter anderem die Trans-Sahara Counterterrorism Partnership, ein Programm zur „Bekämpfung und Prävention von gewalttätigem Extremismus“ in der Region. Die Ausbildung und Unterstützung der lokalen Militärs im Rahmen dieser Partnerschaft hat allein die USA bis jetzt mehr als eine Milliarde Dollar gekostet.

Kurz vor seinem jüngsten Besuch des Niger hat AFRICOMs General Langley vor dem Senate Armed Services Committee die langjährigen westafrikanischen Partner getadelt: „In den letzten drei Jahren haben nationale Verteidigungskräfte ihre Waffen gegen die eigenen gewählten Regierungen in Burkina Faso, Guinea, Mali und Niger gerichtet”, sagte er und fuhr fort: „Diese Juntas entziehen sich der Verantwortung gegenüber den Völkern, denen zu dienen sie vorgeben.“

Langley erwähnte allerdings nicht, dass mindestens 15 Offiziere, die von der Sicherheitskooperation mit den USA profitierten, während des globalen Kriegs gegen den Terror an 12 Putschen in Westafrika und der Sahelzone beteiligt waren. Unter ihnen befinden sich genau die von ihm erwähnten Länder: Burkina Faso (2014, 2015, und zweimal in 2022); Guinea (2021); Mali (2012, 2020, und 2021); und Niger (2023). Tatsächlich erhielten — nach Angaben eines US-Beamten — mindestens fünf Anführer eines Putsches im Juli in Niger Unterstützung durch die USA. Diese wiederum ernannten fünf von den USA ausgebildete Angehörige der Sicherheitskräfte Nigers zu Gouverneuren, nachdem sie den demokratisch gewählten Präsidenten dieses Landes gestürzt hatten.

Danach beklagte Langley, dass Anführer von Staatsstreichen zwar stets versprechen, terroristische Bedrohungen zu zerschlagen, dabei aber scheitern und „sich dann Partnern zuwenden, die sich im Umgang mit Putschisten keine Einschränkungen auferlegen … besonders Russland“. Auch hier versäumte er es, die unmittelbare Verantwortung der USA dafür darzulegen, dass sich die Sicherheit in der Sahelzone — trotz eines Jahrzehnts teurer Bemühungen um eine Verbesserung der Situation — im freien Fall befindet.

„Wir kamen, wir sahen, er starb“, scherzte die damalige Außenministerin Hilary Clinton, nachdem von den USA angeführte NATO-Luftangriffe in 2011 zum Sturz von Oberst Muammar al-Gaddafi, des langjährigen libyschen Diktators, beigetragen hatten. Präsident Obama feierte die Intervention als Erfolg — selbst dann, als Libyen begann, zu einem „Failed State“ abzurutschen. Obama gab später zu, dass es der „größte Fehler“ seiner Präsidentschaft gewesen sei, nicht für den Tag nach Gaddafis Niederlage geplant zu haben.

Als der libysche Staatschef fiel, plünderten Tuareg-Kämpfer in seinen Diensten die Waffenlager seines Regimes, kehrten in ihr Heimatland Mali zurück und begannen, den nördlichen Teil dieses Landes zu übernehmen. Zornig über die wirkungslose Reaktion der Regierung führten die malischen Streitkräfte unter Amadou Sanogo in 2012 einen Putsch durch. Der Offizier hatte in Texas Englisch gelernt, in Georgia eine Grundausbildung zum Infanterieoffizier absolviert, Unterweisungen im Militärgeheimdienst in Arizona erhalten und war von Marines in Virginia betreut worden.

Nachdem er Malis demokratische gewählte Regierung gestürzt hatte, hatte Sanogo bei der Bekämpfung lokaler Milizen, die auch vom Waffenzufluss aus Libyen profitiert hatten, wenig Erfolg. In den chaotischen Zuständen, die in Mali herrschten, riefen diese Tuareg-Kämpfer ihren eigen Staat aus, wurden jedoch von schwer bewaffneten islamistischen Kämpfern beiseite gedrängt, die eine harte Version der Scharia etablierten und damit eine humanitäre Krise auslösten. Eine gemeinsame französische, US-amerikanische und afrikanische Mission verhinderte zwar den völligen Zusammenbruch Malis, drängte jedoch die Islamisten an die Grenzen Burkina Fasos und des Niger und verbreitete damit Terror und Chaos in diesen Ländern.

Seitdem werden die Länder der westafrikanischen Sahelzone von terroristischen Gruppierungen heimgesucht, die sich entfaltet, abgespalten und neu formiert haben. Unter den schwarzen Bannern der dschihadistischen Kampfbereitschaft stürmen Männer mit Kalaschnikows regelmäßig auf Motorrädern in Dörfer, um die Zakat, eine islamische Steuer, zu erheben und Zivilisten zu terrorisieren und zu töten. Die erbarmungslosen Angriffe dieser bewaffneten Gruppen haben nicht nur Burkina Faso, Mali und Niger destabilisiert und zu Putschen sowie politischer Instabilität geführt, sondern sich auch nach Süden ausgebreitet, in die Länder am Golf von Guinea. So hat laut Pentagon-Statistiken beispielsweise die Gewalt in Togo (633 Prozent) und Benin (718 Prozent) extrem zugenommen.

US-Beamte haben das Gemetzel oft ignoriert. Als zum Beispiel der Sprecher des (US-)Außenministeriums, Vedant Patel, kürzlich zur sich entwickelnden Situation in Niger befragt wurde, betonte er, dass Sicherheitspartnerschaften in Westafrika „zu beiderseitigem Nutzen gereichen und dazu dienen, die unserer Meinung nach gemeinsamen Ziele — die Aufdeckung, Abschreckung und Reduzierung terroristischer Gewalt — zu erreichen.“ Seine Äußerung ist entweder eine glatte Lüge oder ein Hirngespinst.

Nach zwanzig Jahren ist klar, dass die Partnerschaften der USA in der Sahelzone keineswegs die „terroristische Gewalt verringern“. Selbst das Pentagon gibt dies stillschweigend zu.

Die US-Truppenstärke im Niger stieg zwar im letzten Jahrzehnt um 900 Prozent. US-Kommandos bilden zwar einheimische Soldaten aus, während sie dort kämpfen und sogar sterben. Hunderte Millionen von Dollars fließen in Form von Ausbildung und Ausrüstung wie gepanzerten Mannschaftstransportern, Panzerwesten, Kommunikationsausrüstung, Maschinengewehren, Nachtsichtgeräten und Gewehren nach Burkina Faso. US-Schutztruppen kamen massenweise nach Mali. Malische Offiziere wurden von den USA ausgebildet: All dies führte in keinster Weise zu einer Reduzierung der terroristischen Gewalt.

Laut Statistiken des (US-)Außenministeriums verursachten Terroristen in den Jahren 2002 und 2003 in ganz Afrika 23 Todesopfer. Letztes Jahr führten laut Africa Center for Strategic Studies, einer Forschungseinrichtung des Pentagon, Angriffe von islamischen Kämpfern in der Sahelzone alleine zu 11.643 Toten — ein Anstieg um mehr als 50.000 Prozent.

Packt euren Krieg ein

Als Präsident Biden im Januar 2021 ins Weiße einzog, versprach er, die ewigen Kriege seines Landes zu beenden. Er behauptete bald danach, dieses Versprechen eingehalten zu haben. „Ich stehe heute hier und dies ist der erste Tag in zwanzig Jahren, in denen die USA keinen Krieg führt“, erklärte Biden Monate später. „Wir haben das Blatt gewendet.“

Ende letzten Jahres jedoch äußerte Biden in einem seiner regelmäßigen „Kriegsberechtigungs“-Sendschreiben an den Kongress, in dem er öffentlich anerkannte weltweite Militäroperationen genau beschrieb, das genaue Gegenteil. Er ließ sogar die Möglichkeit offen, dass die ewigen Kriege der USA tatsächlich ewig fortdauern könnten. Er schrieb:

„Zum jetzigen Zeitpunkt ist es nicht möglich, den genauen Umfang oder die Dauer der Einsätze der US-Streitkräfte zu vorauszusagen, die erforderlich sind oder sein werden, um terroristische Bedrohungen der USA abzuwehren.“

Nigers in den USA ausgebildete Junta hat deutlich gemacht, dass sie in ihrem Land ein Ende des ewigen US-Krieges wünscht.

Dies würde vermutlich die Schließung des Luftwaffenstützpunkts 201 sowie den Abzug von etwa 1.200 US-Soldaten und Auftragnehmern bedeuten. Bis jetzt allerdings scheint Washington diesen Wünschen noch nicht nachzukommen. „Wir sind uns der Erklärung des 16. März bewusst … in der ein Ende des Abkommens über den Status der Streitkräfte zwischen Niger und den USA bekannt gegeben wurde“, sagte die stellvertretende Pressesprecherin des Pentagon, Sabrina Singh. „Wir versuchen über diplomatische Kanäle, eine Klärung herbeizuführen … Ich habe keinen Zeitrahmen für einen Abzug der Truppen.“

„Das US-Militär ist auf Bitten der nigerischen Regierung in Niger“ sagte Africom-Sprecherin Kelly Cahalan letztes Jahr. Nun, da die Junta Africom aufgefordert hat, das Land zu verlassen, hat das Kommando wenig zu sagen. E-Mail-Empfangsbestätigungen zeigen, dass Fragen von TomDispatch (TomDispatch ist eine Online-Publikation, die sich selbst als „Gegengift zu den Mainstream-Medien“ bezeichnet; Anmerkung der Übersetzerin) an die Pressestelle von Africom über die Entwicklungen in Niger zwar von einer Reihe von Mitarbeitern gelesen wurden — darunter Cahalan, Zack Frank, Joshua Frey, Yvonne Levardi, Rebekah Clark Mattes, Christopher Meade, Takisha Miller, Alvin Phillips, Robert Dixon, Lennea Montandon und Courtney Dock, Africoms stellvertretende Direktorin für öffentliche Angelegenheiten —, jedoch von keinem von ihnen beantwortet wurden. Cahalan verwies TomDispatch stattdessen an das Außenministerium. Dieses wiederum verwies auf die Niederschrift einer Pressekonferenz, die sich hauptsächlich mit den diplomatischen Bemühungen der USA in den Philippinen befasste.

„US-Africom muss in Westafrika (stationiert) bleiben … um die Ausbreitung des Terrorismus in der Region und darüber hinaus zu begrenzen“, sagte General Langley im März dem Senatsausschuss für die Streitkräfte. Die nigerische Junta jedoch besteht darauf, dass Africom gehen muss und dass der Hauptgrund hierfür das Scheitern der USA sei, „die Ausbreitung des Terrorismus in Niger und darüber hinaus zu begrenzen“. „Diese Sicherheitskooperation erfüllte die Erwartung der Menschen in Niger nicht — all die von den Dschihadisten verübten Massaker wurden begangen, als die US-Amerikaner hier waren“, sagte — unter der Bedingung, anonym zu bleiben — ein Sicherheitsanalyst aus Niger, der mit US-Beamten (zusammen)gearbeitet hat.

Mit dem Scheitern als bestimmendem Handlungsstrang und katastrophalen Ergebnissen als Norm haben sich die ewigen Kriege der USA, darunter auch der Krieg um die Sahelzone, unter der Präsidentschaft von W. Bush, Barack Obama, Donald Trump und Joe Biden hingezogen. Vom Islamischen Staat, der die von den USA ausgebildete irakische Armee 2014 zerschlug, zum Sieg der Taliban in Afghanistan im Jahr 2021, von der ewigen Pattsituation in Somalia zur Destabilisierung Libyens in 2011, die die Sahelzone ins Chaos gestürzt hat und nun die Küstenstaaten am Golf von Guinea bedroht, war der globale Krieg gegen den Terror für den Tod, die Verwundung oder die Vertreibung von zig Millionen Menschen verantwortlich.

Gemetzel, Pattsituationen und Scheitern scheinen bemerkenswert wenig Einfluss auf Washingtons Wunsch, solche Kriege weiterhin zu finanzieren und zu führen, gehabt zu haben, aber die Tatsachen vor Ort wie der Triumph der Taliban in Afghanistan konnte auch Washington nicht ignorieren.

Auch Nigers Junta geht einen solchen Weg, indem es versucht, in einer kleine Ecke der Welt einen ewigen US-Krieg zu beenden — und indem es das tut, was Biden versprochen, aber nicht gehalten hat. Dennoch bleibt die Frage: Wird die Biden-Regierung einen Kurs ändern, den die USA seit Anfang der 2000er Jahre eingeschlagen haben? Wird sie einwilligen, ein Datum für den Rückzug festzulegen? Wird Washington endlich seinen unseligen Krieg beenden und nach Hause gehen?


Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst unter dem Titel „The New Junta in Niger Tells the United States to Pack Up Its War and Go Home“. Er wurde von Gabriele Herb ehrenamtlich übersetzt und vom ehrenamtlichen Manova-Korrektoratteam lektoriert.