Das Demokratie-Schlusslicht
In Deutschland, das sich gern als demokratisches Musterland inszeniert, zeigt sich eine Tendenz zu abhängiger Justiz und Machtkonzentration. Teil 1 von 2
Wir kennen es noch aus dem Sozialkundeunterricht: Eigentlich herrscht in Deutschland Gewaltenteilung, und eine unabhängige Justiz sollte notfalls die Bürger vor einem übergriffigen Staat schützen. Das Bundesverfassungsgericht kann sogar als oberste Instanz demokratiewidrige Gesetze wieder einkassieren. In den Corona-Jahren haben wir aber gesehen, was von den meisten unserer Gerichte zu halten ist, wenn wirklich mal Not am Mann ist, nämlich gar nichts. Wie soll Gewaltenteilung in unserem Land auch Realität werden, wenn immer noch Politiker und ihre Beamten entscheidend über die Karrierechancen von Richtern bestimmen? Diese und andere Missstände der deutschen Demokratie sind inzwischen auch dem Europarat aufgefallen. Schon 2009 hatte dieser Korrekturen angemahnt. Im Gegensatz zur Situation in anderen Ländern, die ebenfalls gerügt wurden, denkt die deutsche Politik-Elite aber gar nicht daran, etwas zu verbessern. Im Gegenteil macht sie alles nur immer schlimmer.
Die Unabhängigkeit der Justiz stellt „die oberste Verteidigungslinie gegenüber politisch motivierter Beeinflussung des Rechts“ dar. In dieser Deutlichkeit belehrte die Parlamentarische Versammlung des Europarates (PACE) vor inzwischen 15 Jahren, im September 2009, die Vertretung der Bundesrepublik über Grundsätze einer Demokratie. Gefordert wird, „Deutschland möge ein System der Selbstverwaltung der Justiz einführen“, dies vorzugsweise in Form von „Justizräten (judical councils), die in den meisten europäischen Staaten vorhanden sind“. Außerdem sollte Deutschland „die Möglichkeit abschaffen, dass Justizminister der Staatsanwaltschaft Anweisungen zu einzelnen Fällen geben“ können (1).
Doch im Gegensatz zu anderen, seinerzeit ebenfalls vom Europarat wegen Demokratie-Mängel „angezählter“ Länder, wie beispielsweise Großbritannien, das sein Rechtssystem stufenweise, zuletzt 2008, entsprechend des geforderten dreigliedrigen Staatsaufbaus umstellte (2), hat sich „das politische Deutschland“ kein Stück in Richtung echter Gewaltenteilung und damit wirklicher Demokratie bewegt. Dabei führt das Grundgesetz, Artikel 20, Absatz 2 und Absatz 3 explizit aus: die vom Volke ausgehende Staatsgewalt wird „durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtssprechung ausgeübt“.
Als Konsequenz hat der Europäische Gerichtshof, der die Abhängigkeit der deutschen Staatsanwälte von der Regierung nicht länger hinnehmen wollte, seit 2020 deren „Befugnisse in Bezug auf die Ausstellung und Vollziehung europäischer Haftbefehle beschnitten“, so der ehemalige Richter Udo Hochschild in seinem 2022 herausgegebenen Buch „Engel, Menschen, Gewaltenteilung — Realität eines Verfassungsprinzips“ (3).
Vor drei Jahren, 2021, hat auch der UN-Menschenrechtsausschuss nachgezogen und fordert die deutsche Bundesregierung auf, das Weisungsrecht aus den Justizministerien gegenüber den Staatsanwälten abzuschaffen. Das Online-Magazin multipolar hakte bei der Bundesregierung nach.
Die Ampel-Regierung hatte in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, dieses Weisungsrecht „entsprechend den Anforderungen des Europäischen Gerichtshofs“ anzupassen, auf ihre Anfrage erhielt die Redaktion aus dem Bundesjustizministerium allerdings nur die lapidare Auskunft: „die Prüfungen ‚zum weiteren Vorgehen in dieser Sache‘ dauerten ‚noch an‘“. Dabei sei, so multipolar, das noch immer gültige Gerichtsverfassungsgesetz mit seinem in den Paragraphen 146 und 147 festgehaltenen Weisungsrecht ein Relikt, das „noch auf die Kaiserzeit zurückgeht“ (4).
Grundsätzlicher noch greift die Kritik von Udo Hochschild. Ihm zufolge wurde das gesamte Gewaltenteilungsprinzip „in Deutschland zu keiner Zeit staatsorganisatorisch vollständig umgesetzt. Die aus einer anderen Welt, dem Bismarck-Reich „stammende staatsorganisatorische Integration der deutschen Judikative in den Herrschaftsbereich der Exekutive wurde bis heute beibehalten“.
Problematisch sei vor allem, dass die vollständige Personal- und Finanzhoheit über die komplette „Dritte Gewalt“, außer beim Bundesverfassungsgericht, dessen Unabhängigkeit Ende der 1950er Jahre gegen Widerstand durchgesetzt wurde, in den Händen der Exekutive liegt.
In diesem Zusammenhang greift der ehemalige Richter auf ein Zitat des preußischen Justizministers Gerhard Adolf Leonhardt (1815 bis 1880) zurück, der bei der Einführung des Gerichtsverfassungsgesetzes im Jahr 1877 gesagt hätte: „Solange ich über die Beförderung bestimme, bin ich gerne bereit, den Richtern ihre so genannte Unabhängigkeit zu konzedieren.“ Denn: „Wer befördert, befiehlt“ lautete die Formel, die der Autor von dem Staatsrechtler Theodor Eschenberg (1904 bis 1999) aus dessen 1962 veröffentlichtem Werk „Staat und Gesellschaft in Deutschland“ übernommen hat:
„Die Regierung hat mit der Beförderungsmacht ein sehr wirksames Führungsmittel in der Hand. Sie kann belohnen oder Belohnung versagen“ (5).
Gregor Gysi: Staatssystem mit zwei großen Mängeln
Auf die mit der „Resolution 1685“ vom 30. September 2009 formulierte Kritik der Parlamentarischen Versammlung des Europarates an dem Abhängigkeitsverhältnis der Judikative von der Exekutiven in der BRD reagierte seinerzeit als einzige Fraktion im deutschen Bundestag „Die Linke“ mit ihrer „kleinen Anfrage“ von Anfang 2010. Unterschrieben und an die Adresse der Bundesregierung eingereicht hatte sie Gregor Gysi (6). Seine Fraktion wollte Auskunft über die Umsetzung der Resolution erhalten. Doch die Antwort aus dem Bundesjustizministerium fiel mehr als mager aus.
Die Mandatsträger erhielten ausweichend die fragwürdige Antwort: Die „geforderte Einführung eines Systems der Selbstverwaltung der Justiz in Form von Justiz(verwaltuns)räten in Deutschland wäre nach allgemeiner Ansicht nicht ohne entsprechende Änderung des Grundgesetzes realisierbar“ (7). Im Bundesministerium weiter nachgehakt hat daraufhin aber auch „Die Linke“ nicht mehr.
In seiner Antwortmail von Anfang 2024 auf meine Fragen schreibt Gysi, das bestehende Weisungsrecht gegenüber den Staatsanwaltschaft sei für ihn „nicht das Problem“. Aber: Die Gerichte müssen unabhängig sein. Der Mangel ist, so der promovierte Jurist:
„Die Politik entscheidet über Beförderungen. Wenn jemand Urteile fällt, über die sich die Politik ärgert, wird er eben nicht Direktor des Landgerichts, wird auch nicht an das Oberlandesgericht geschickt, geschweige denn zum Bundesgerichtshof. Hier muss eine ganz andere Form von Unabhängigkeit gewährleistet werden. Diesbezüglich hat sich aber bisher nichts getan.“
Den zweiten großen Mangel im deutschen Staatssystem sieht Gysi, wie er schreibt, in der Wahl der Verfassungsrichterinnen und -richter nach Parteien-Proporz. Diese „müssen immer von einem bestimmten Gremium mit Zweidrittelmehrheit gewählt werden“, erklärt der Bundestagsabgeordnete.
„So war es bisher üblich, dass eine Richterin beziehungsweise ein Richter entweder der Union oder der SPD nahestand. Langsam verschieben sich hier allerdings die Gewichtungen“ (8).
Und so entscheiden in Deutschland noch immer „zu Ministern ernannte Politiker und die ihren Weisungen unterstellten Beamten über die Auswahl, die Benotung in Dienstzeugnissen und die Beförderung von Richtern“, so Hochschild. Diese Personalhoheit der Exekutive über die Richter sei Macht über deren Lebenswege. „Jeder Richter“, so der Autor, „weiß, dass seine Karriere davon abhängt, ob seine Verhaltensweise der Regierung gefällt. Dies führt nicht nur zu sozialen, sondern auch zu psychischen Abhängigkeiten von Richtern.“ In dieser hierarchischen Unterordnung „unter einen Minister sind Richter in ihrer Lebensplanung von der Exekutive abhängig“.
Und diese Macht der Minister, kritisiert der promovierte Jurist „reicht bis in die Gerichte hinein“. So seien, entgegen einem verbreiteten Irrtum, „die Gerichtspräsidenten in ihrer Aufgabe als Präsidenten nicht Richter, sondern weisungsgebundene Verwaltungsbeamte“. In dieser Eigenschaft sind sie „ihrem Minister weisungsunterworfene Beamte und als solche die Dienstvorgesetzten der übrigen Richter an ihrem Gericht“ (9).
Hochschild zitiert Paulus van Husen (1991 bis 1971), einer der Widerstandskämpfer um Claus Schenk Graf von Stauffenberg, der nach dessen Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 im Zuchthaus eingesperrt war – und überlebte. Später, ab 1949, übernahm van Husen das Amt des Präsidenten am Oberverwaltungsgericht von Nordrhein-Westfalen. Der Jurist folgert:
„Die richterliche Unabhängigkeit ist eine verlogene Angelegenheit, solange dies System besteht. … Ein ganz böses Kapitel ist die sogenannte Dienstaufsicht der Exekutive, die tausend Hände hat, um den Richter abhängig zu machen und die Rechtsprechung zu beeinflussen“ (10).
Organisationsstrukturen wie im kaiserlichen Obrigkeitsstaat
Und so kommt Hochschild zu dem Schluss: Deutschland kennt „auf Bund- und Landesebene nur zwei organisatorisch voneinander unabhängige Träger der Staatsgewalt, die Legislative und die Exekutive. Die deutsche Judikative ist nach wie vor ein staatsorganisatorischer Bestandteil der Exekutive, wobei das selbstverwaltete Bundesverfassungsgericht eine Ausnahme bildet“. Tatsächlich seien in Deutschland der Gegenwart noch immer „die Organisationsstrukturen des kaiserlichen Obrigkeitsstaates (...) — verstärkt durch Zuschnitt der deutschen Justizorganisation auf den Führerstaat — bis heute erhalten“ (11).
Deshalb konnte es, nach meiner Meinung, auch zu dem, bis auf wenige Ausnahmen, Komplett-Versagen der „Judikative“ bei der Bewährungsprobe des „Ausnahme“-Zustandes in der orchestrierten „Corona“-Krise (12) kommen, die in kaum einem anderen Land der Welt so exzessiv auf ganze drei Jahre ausgedehnt und so ausgrenzend, brutal und freiheitsberaubend exerziert wurde, wie in Deutschland (13).
Die gewalttätigen Übergriffe insbesondere der Polizei im autoritären, durch seine faschistische Vergangenheit geprägten Deutschland entsetzten nicht zuletzt ausländische Beobachter und Diplomaten.
- So sprach der damalige Folter-Sonderbeauftragter der UN Nils Melzer vom „Systemversagen“ Deutschlands und sah keinen anderen Weg, als gegen die Polizei und Regierenden der Bundesrepublik zu ermitteln. Nach Abschluss seiner im August 2021 begonnenen Auswertung ermahnte er die Bundesregierung, das eigene Volk nicht als Feind zu behandeln (14).
- Ebenfalls im Sommer 2021 kritisiert die Kommissarin für Menschenrechte des Europarates Duja Mijatović die insbesondere gegen die Rechte und das Wohl der Kinder gerichteten „Corona“-Maßnahmen der Bundesregierung: Im europäischen Vergleich hätte Deutschland seine Schulen „besonders strikten Lockdowns“ ausgesetzt, so die Diplomatin. Mijatović drängte darauf, den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu folgen. „Diese sagen klar, dass offene Schulen Kernziel der Regierungen sein sollten.“ Ohne Erfolg. Die Kinder in Deutschland wurden während des erzeugten Corona-Massenwahns, im Gegensatz zu den meisten anderen Ländern, stattdessen weiterhin gegängelt, ihrer Freiheit beraubt und mit widernatürlichen „Abstands“-Regelungen, Hygiene-Torturen sowie mit ständigem Maskentragen und „Popel“-Tests gedemütigt und gequält (15).
- Eindeutig positionierte sich der Europarat auch bei der Frage einer möglichen „Impfpflicht“. Er sprach sich unmissverständlich gegen Diskriminierungen gegenüber „Ungeimpften“ aus. Per Resolution vom Januar 2021 waren alle Mitgliedsstaaten, zu denen auch Deutschland gehört, aufgefordert, „dass die Impfung nicht verpflichtend ist und niemand politisch, sozial oder anderweitig unter Druck gesetzt wird, sich impfen zu lassen, wenn er oder sie dies nicht möchte“. Außerdem verpflichten sich die Staaten, „dafür zu sorgen, dass Personen, die nicht geimpft sind, weil dies aufgrund möglicher Gesundheitsrisiken nicht möglich ist oder die betreffende Person dies nicht möchte, nicht diskriminiert werden“ (16).
Das Gegenteil passierte in der Bundesrepublik. Deutschland zeigte sich wieder von seiner häßlichsten Seite. Wohl in keinem anderem Staat der Welt erfolgte die Apartheid und „Treibjagd“ gegen „Ungeimpfte“ so „rigoros“, so verächtlich und unmenschlich wie in der BRD.
Nirgendwo wurden Andersdenkende von politischer Seite und dem ihnen nach dem Munde redenden „Mainstream“, den „öffentlich-rechtlichen“ Staatssendern und den „privaten“ Propaganda- und Milliardärs-Medien, dermaßen heftig diskriminiert, beleidigt und diffamiert wie im Obrigkeits-Deutschland (17).
Die Prägung auf Befehl und Gehorsam reicht in Deutschland weit in die Vergangenheit und wirkt, „osmotisch“ und generationsübergreifend, bis heute. Faktisch hat sich, außer dem inzwischen vielfach gesteigerten Tempo und Ausmaß der privaten Aneignung von gesellschaftlichen Vermögen seit mehr als 100 Jahren kaum etwas geändert.
Es herrschen in der Bundesrepublik größtenteils die gleichen Familien wie ehemals, die insbesondere durch Kriege und Krisen superreich wurden und die vielfach den „200 Familien, die die USA regieren“ (18), als transatlantische „Brückenköpfe“ dienen. Porträtiert und ihre jeweiligen Einbindungen dokumentiert werden diese Herrschenden in diversen Büchern und „Klassikern“, wie beispielsweise „Democracy for the Few“ des US-amerikanischen Autors Michael Parenti (19), „Charakterisiert“ wurden Reiche und Raffgierige aber auch bereits in alten, religiösen Schriften wie die „Bhagavad Gita“, hier insbesondere im Kapitel 16 „Die zwei Schicksale: Göttliches und dämonisches Menschsein“, ab Absatz 4, sowie in „Die Göttliche Komödie“ von Dante Alighieri (20).
Erben des „Hitlersystems“ in Wirtschaft und Verwaltung
Zur Prägung der Bundesrepublik führt der Historiker Ludwig Elm in seiner Schrift, „Adenauer und die Gründung der BRD – ein Glücksfall für NS-Täter, die deutsche Rechte und die NATO“ im Einzelnen aus: Nachdem Gustav Heinemann (1899 bis 1974, Bundespräsident von 1969 bis 1974), aus Protest wegen der bereits unmittelbar nach der Staatsgründung angebahnten „Wiederaufrüstung“ Deutschlands als Bundesinnenminister zurücktrat (21), übernahm ab 1950 dieses Amt Robert Lehr. Vormals gehörte Lehr, der „Deutschnationalen Volkspartei“ an, die 1933 mit der NSDAP koalierte und sich an der Regierung mit Adolf Hitler als Kanzler beteiligte. Elm schreibt:
„Die in das Bundeskriminalamt, den Bundesnachrichtendienst, den Verfassungsschutz und weitere Behörden einschließlich deren leitende Ebenen einziehenden vormaligen Gestapo-, SS- und SD-Täter hatten von diesem Chef, nunmehr auch CDU, nichts zu befürchten. Zugleich bildeten sie für Adenauer als Antikommunisten sowie gefügig und erpressbar aufgrund ihres Vorlebens eine zuverlässige Stütze für eine mit antisowjetischen Bedrohungslügen forcierte Aufrüstung“ (22).
Als „ein Grundgebrechen der inneren Verfassung der Bundesrepublik“, beschreibt auch der Philosoph Karl Jaspers (1893 bis 1969) „das Fortwirken der alten Nationalsozialisten“ in seiner 1966 veröffentlichten Auswertung „Wohin treibt die Bundesrepublik“: „Der Zustand der Bundesrepublik heute liegt zum Teil an der Auslese der politisch führenden Persönlichkeiten. Es sind wahrscheinlich nicht die besten“, folgerte der Doktorvater und zeitlebens Freund von Hannah Arendt (1906 bis 1974).
Bei der Gründung der Bundesrepublik hätten, so Jaspers, „die Unbelasteten, die in ihrer politischen Gesinnung jederzeit Unerschütterten, diese vielleicht 500.000 Deutschen nicht die Führung ergriffen oder nicht ergreifen können“. Am Beispiel der Bundeswehr als ein „besonders wichtiger Fall“ verdeutlicht er stattdessen:
„Sie ist aufgebaut und geführt von Offizieren, die in der nationalsozialistischen Armee gedient haben, Hitler gefolgt sind, am Geiste dieser Armee teilnahmen, das Attentat vom 20. Juli verwarfen. Aber man hatte keine anderen Offiziere. Wollte man eine Armee, mußte man sich ihrer als technisch-sachkundigen Leuten bedienen. Analog liegt es bei den Richtern, den Professoren, der Polizei und so weiter“ (23).
Elm zitiert unter anderem den SPD-Politiker Kurt Schumacher (1895 bis 1952), der nach der Staatsgründung am 21. September im Deutschen Bundestag sagte: Es sei „der deutsche Besitz, der ja in seiner überwiegenden Mehrzahl hinter der neuen Bundesregierung steht“. Es handele sich um „eine in Sachen der Besitzverteidigung sehr unsentimentale Regierung“ (24). Seinem „Gegenspieler“ von der CDU und von 1949 bis 1963 Bundeskanzler Konrad Adenauer (1876 bis 1967) warf Schumacher vor, „Kanzler der Alliierten“ zu sein (25).
Schließlich führt der promovierte Historiker den „Verfassungsvater“ Heinz Renner (1892 bis 1964) von der Fraktion der KPD an, der sich, so Elm, in der Sitzung des Parlamentarischen Rates vom 20. Oktober 1948 von Carlo Schmid, dem Sprecher der SPD-Fraktion, mit einem „weitgehend“ bestätigen, was bereits zwei Jahre zuvor der damalige SPD-Vorsitzende Kurt Schumacher folgendermaßen zusammenfasste: Heute sitzen „in allen leitenden Positionen der Wirtschaft und Verwaltung die alten Kräfte der Reaktion (…), denen das deutsche Volk Hitler und das heutige Elend verdankt“. Renner nennt sie „Naziaktivisten, Kriegsverbrecher und Nutznießer des Hitlersystems“, auf denen die deutsche Wirtschaft und Verwaltung wurzelt (26).
Sofort nach der „Machübernahme“ Hitlers und „legitimiert“ durch die „Reichstagsbrandverordnung“ wurde die KPD ab Februar 1933 verboten und den Reichstagsabgeordneten der Partei ihre Mandate entzogen. Kommunisten durften weder demonstrieren noch publizieren. Sie wurden systematisch verfolgt und großenteils ermordet, sofern es ihnen nicht gelungen war, zu fliehen oder erfolgreich unterzutauchen. Viele ihrer Mitglieder leisteten Widerstand und zahlten mit den Widerstandskämpfern und Parteigängern der SPD, die knapp ein halbes Jahr später im NS-Staat verboten wurde, den „höchsten Blutzoll“ (27).
Später, in der BRD, wird die KPD erneut verboten, viele ihrer Mitglieder mit Berufsverboten belegt und den in Nazi-Deutschland verfolgten Partei-Mitgliedern und Widerstandskämpfern, Wiedergutmachungen und Renten verweigert. Sie galten im „Schlussstrich“-Nachkriegsdeutschland wie die im NS-Reich ebenfalls systematisch verfolgten und ermordeten Sinti und Roma sowie Homosexuelle als „Asoziale“, die ihre „Randstellung“ und Verfolgung selbst verschuldet und gewählt hätten. Viele Jahre „unberücksichtig blieben Zwangssterilisierte und psychisch Kranke, (…) Zwangsarbeiter des In- und Auslandes sowie Deserteure“. Im Gegensatz dazu standen die Beamten, „die Hitler den Staat gemacht hatten“, so Elm, „soweit nicht in Pension, fast alle wieder in Amt und Würden“ (28).
Außenpolitik der gegenseitigen Absolution
Der Historiker sieht diese Entwicklung eingebunden in einen „Komplex machtpolitischer zynischer gegenseitiger Absolution“ zwischen der Bundesrepublik und den Westmächten.
„Die wirtschaftliche und militärische Integration der BRD erfüllte die von Adenauer hartnäckig verfolgte Erwartung, dass damit die umfassende Schlussstrichpolitik der BRD von den westlichen Macht- und Führungszentren (…) zumindest hingenommen, zunehmend jedoch unterstützt werde.“
Andererseits, so der Autor, „konnten die USA, Großbritannien, Frankreich, die Niederlande, Belgien und weitere Länder davon ausgehen, dass eine mit jenen Prämissen protegierte und erpressbare Bundesrepublik die kolonialistischen und kriegerischen Verbrechen ihrer neuen Verbündeten weitgehend tolerieren und dazu schweigen werde.
Die bundesdeutsche Haltung beispielsweise zu den Kriegen seit 1945 in Vietnam, Indonesien, Algerien und weiteren Ländern sowie zu rassistisch-kolonialistischen und Militärdiktaturen der Nachkriegsperiode in Asien, Afrika und Lateinamerika entsprach — selbstredend unter Phrasen von „freier Welt“ und mit Bedrohungslügen — weitgehend diesen Kalkulationen“ (29).
Knapp 20 Jahre nach Gründung der BRD greift Rudi Dutschke (1940 bis 1979) dieses „stillschweigend geschlossene Agreement“ zwischen den Westalliierten und der Führung der Bundesrepublik mit seiner im Februar 1968 gehaltenen Rede über „Die geschichtlichen Bedingungen für den internationalen Emanzipationskampf“ auf dem „Internationalen Vietnam-Kongreß in West-Berlin“ auf. Er stellt die Machtverhältnisse innerhalb dieser Verwicklungen heraus. In Anlehnung an den Philosophen Karl Korsch (1886 bis 1961) weist er auf „die neue Form des Imperialismus“ hin, die dadurch gekennzeichnet ist, „daß sie sich auf ‚befreundete Regierungen, Marionetten, Quislinge und alle möglichen Arten von Kollaborateuren einschließlich gewisser Sorten sogenannter Widerstandsbewegungen stützt“ (30).
In seiner Rede „Besetzt Bonn!“ gegen die geplanten und kurz darauf vom Deutschen Bundestag beschlossenen Notstandsgesetze erinnert der prominente „Wortführer“ der „Außerparlamentarischen Opposition (APO)“ an die Intentionen der die Politik bestimmenden reaktionären Kreise seit Gründung der BRD:
„Seit Jahrzehnten indoktrinieren unsere ‚Herren an der Spitze‘ die Menschen mit dem Feindmythos. Die gesellschaftlich notwendige Lüge von der kommunistischen Subversionstätigkeit in den ‚freien’ Ländern dient als Rechtfertigung, um die den Frieden gefährdende, die kapitalistische Wirtschaft aber stabilisierende Rüstungsindustrie und die Bundeswehr aufrechterhalten, dient der Verhüllung der wirklichen Funktion der Notstandsgesetze: innenpolitische Strukturveränderungen a priori auszuschalten“ (31).
Durch Notstandsgesetze zur Diktatur
Auch Karl Jaspers, ebenfalls ein entschiedener Gegner der Notstandsgesetze, sah in ihnen den drohenden Schritt, „von der Parteienoligarchie zur Diktatur“. Er entwickelte seine Analyse an der Frage „Sicherheit für wen?“ und setzte dabei voraus: „Das Volk verlangt Sicherheit gegen die Bedrohung von außen, verlangt Sicherheit für sich selbst und seinen Bestand in diesem Herrschaftsraum der Parteienoligarchie.“ Jedoch:
„Die Rangordnung dieser Sicherheiten ist keineswegs die gleiche für Staatsbürger und für Politiker. Die Parteienoligarchie will die Sicherung ihrer selbst. Sie identifiziert sich mit dem Staat an sich und mit dem Volk. Sie schafft sich die Sicherungen für sich selber durch Institutionen und Instrumente, vom Grundgesetz bis zu den geplanten Notstandsgesetzen. (…) Die Sicherheit der Partienoligarchie gilt als identisch mit der Sicherheit der Bundesrepublik.“
Woraus er folgert: „Die Sicherung der Parteienoligarchie tötet schließlich das politische Leben der bundesdeutschen Bevölkerung.“ Denn die: „Grenze der Sicherheit ist dort, wo die Freiheit durch falsche Freiheit selber vernichtet, wenn Gesetzlichkeit durch Gesetz aufgehoben werden soll. Die menschlichen Dinge gestatten keine absolute Sicherheit. Freiheit kann sich nur durch Freiheit im Risiko behaupten. Wer absolute Sicherheit will, will Unfreiheit und den politischen Tod“
(32).
Unter diesen Herleitungen gilt es auch den in Deutschland, wohl wie in keinem anderen Land dieser Erde, mit „aller Macht“ und über jedes Maß in die Länge gezogenen „Gesundheits-Notstand“ während der, aus meiner Sicht, gesteuerten Corona-Massenhysterie und Panikerzeugung unter der Bevölkerung ab 2020 zu bewerten. Ich nehme eine von den Herrschenden konstruierte „Coronakrise“ an, mit der sie drei ihrer Hauptziele verfolgen:
Erstens: Ermittlung des Standes der Unterwürfigkeit der Untertanen und Konditionierung deren Gehorsams, auch als Vorbereitung des Krieges gegen „den Kommunismus“, der als menschlichere und menschheitsgeschichtlich weiterentwickelte Alternative den Kapitalismus real in Frage stellt. Denn Letzterer nützt allein Ausbeutern und, in Abstufung, den von ihnen protegierten und privilegierten „Schichten“ der Reaktion (33).
Es geht somit auch um die Frage, wird die Welt künftig multi- oder monopolar bestimmt sein?, und damit: Wird die Menschheit Frieden finden oder wird weiterhin, vom „NATO-Westen“ dominiert, Krieg herrschen aufgrund imperialistischer Interessen und ungezügelter Gier.
Zweitens: Rücknahme der den Herrschenden und ihrer Vasallen aus Politik und Medien störenden Menschenrechte, insbesondere das der Versammlungsfreiheit. Diese ließe sich jederzeit durch Ausrufung einer „Pandemie“ mit dem „zum Einlullen der Mehrheitsbevölkerung“ entwickelten Narrativ des „solidarischen Gesundheitsschutzes“ aufheben oder durch Auflagen wie „Abstandsregeln“ und Knebelung durch Maskenzwang ad absurdum führen. Wobei die verordneten Zwänge wiederum den Zweck erfüllen, die Autorität der Herrschenden und ihrer Bediensteten in den Staaten sowie, zunehmend, in ihren supranationalen Organisationen zu unterstreichen, um, wiederum, Gehorsam einzuüben. Massendemonstrationen hingegen bergen das Potenzial des Umsturzes in sich. Sie sind Voraussetzung dafür, dass der notwendige „Turnaround“ gelingt (34).
Drittens: „Landnahme“ nach dem Modell der „Die Akkumulation des Kapitals“ von Rosa Luxemburg (35). Für den Profit der Ausbeuterklasse sollen die „vorkapitalistischen“ Körper fast aller Menschen — vergleiche das Verkaufsinterview von Bill Gates in der Pose des „Erlösers“ zu Ostersonntag 2020 in den ARD-Tagesthemen, gesprochen im pluralis majestatis: „Wir werden sieben Milliarden Menschen impfen“ — (36) „kapitalistisch erschlossen“ und mehr und mehr „durchdrungen“ werden. Dies aktuell insbesondere durch sogenannte „Impfungen“ sowie durch Medikamente der „individualisierten Medizin“ zum Gewinn der Pharma-Konzerne als eine „Schlüsselindustrie“ zur „Rettung“ des sterbenden, eigentlich schon toten Kapitalismus (37). Denn er hat sich als „unmenschlich“ erwiesen, als „eine Katastrophe des menschlichen Wesens“ (38).
Den ersten Teil meines Beitrages illustriere ich nun am Schluss (wieder) mit Fotos von politische wachen Menschen, die aufstehen und auf Demonstrationen mit ihren Transparenten und Botschaften Frieden und Gerechtigkeit für die Welt einfordern. Sie engagierten sich damit für genau das, was die Verfassungsväter und -mütter allen Deutschen in ihr „Stammbuch“ geschrieben haben, zentral so formuliert in der Präambel und deutlich auch in Artikel 1 des Grundgesetzes.
Die Auseinandersetzung mit diesen grundlegenden Werten, wie sie sich als Anspruch aus dem Grundgesetz für die Bundesrepublik ergeben und der tatsächlichen Verfassungswirklichkeit ist das Hauptthema meines in Kürze erscheinenden 2. Teils dieses Beitrages.
Gestreift werden dabei auch Erwägungen zum unbedingten Postulat der Gewaltenteilung. Dabei wird es auch darum gehen, wieso für eine nicht demokratisch gewählte, supranationale Organisation wie die WHO die erkannten Grundsätze nicht gelten sollen, sondern dieser, so Wolfgang Wodarg, durch und durch korrupten „Institution“ im Gewand einer Weltbehörde mit den geplanten „Pandemieverträgen“ „Allmacht“ zugesprochen werden soll.
Auf der Abschlusskundgebung der Demonstration „Rheinmetall entwaffnen! Kriegstreiberei von Grünen & Co Stoppen!“ auf dem Pariser Platz in Berlin am 9. Mai 2023. Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes — Bund deutscher Antifaschisten will „Deutsche Grossmachtträume platzen lassen!“ So steht es auf ihrem Transparent und darauf zielt auch ihre Broschüre: „Für eine Welt des Friedens und der Freiheit. Ergebnis der friedenspolitischen Beratung von Mitgliedern der Berlin VVN-BdA, Juni 2023“ mit unter anderem einem Foto dieses Banners von Ingo Müller, https://berlin-vvn-vda.vvn-bda.de/25-juli-2023-friedenspolitische-erklaerung/ und: http://vvn-vda.de/25-huli-2023-friedenspolitische-erklaerung
Die zur Zeit wichtigsten außenpolitischen Ziele für Deutschland, plakatiert auf dem Ostermarsch am 30. März 2024 in Berlin. Foto: Falke