Das Angstmacher-Narrativ
Der nach dem 11. September 2001 von den USA erklärte „Krieg gegen den Terror“ beschädigt weltweit die Demokratie.
In Zeiten schwerer Bedrohung müssen alle Anständigen zusammenhalten, müssen Sicherheitsmaßnahmen verstärkt und Bürgerrechte eingeschränkt werden, müssen Demokratie und Gewaltenteilung vielleicht sogar für eine Weile Pause machen, bis durch die entschlossenen Bemühungen unserer Regierung die Gefahr gebannt ist … Kommen Ihnen derartige Parolen bekannt vor? Mit Blick auf die angeblich so schlimme Bedrohungslage durch Corona hören wir Ähnliches auf allen Kanälen. Die Versuche der Macht, mit Angst Politik zu machen und die Demokratie unter Verweis auf einen „Notstand“ sturmreif zu schießen, begannen aber nicht erst mit dem Jahr 2020. Die geschürte Terrorismus-Angst war sozusagen das Vorgänger-Narrativ zur derzeitigen Corona-Hysterie. Der ausgewiesene Nine Eleven-Experte Elias Davidsson erinnert daran, welche Tricks die Mächtigen in den westlichen Nationen damals anwandten, um das Randproblem Terrorismus zum globalen Popanz aufzubauschen. Wer die Vorgänge damals im Rückblick besser zu begreifen vermag, lernt auch vieles für den Umgang mit der derzeitigen Krise, die vor allem eine Krise für die Freiheitsrechte ist.
Die erste offenkundige diplomatische Errungenschaft der Vereinigten Staaten im Zusammenhang mit dem 11. September 2001 (9/11) war die Resolution Nr. 1368 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen. Sie wurde mittags am 12. September 2001 verabschiedet. Diese Resolution weist drei rätselhafte Merkmale auf, deren epochale Auswirkungen weitgehend unbemerkt blieben.
Ein Augenzwinkern genügt
Die Resolution Nr. 1368 weist in ihrer Präambel auf „das naturgegebene Recht jedes Mitgliedes des VN zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung im Einklang mit der Charta“ hin (1). Es bestand keine Notwendigkeit, Artikel 51 der Charta (2) in der Resolution zu wiederholen, es sei denn, der Rat wollte den USA mit einem Augenzwinkern zu verstehen geben, dass sie, falls sie es wünschen, gegen jedes Land, nach eigenem Ermessen und als Antwort auf die Anschläge des 11. September, militärische Gewalt anwenden könnten.
Genau das ist geschehen: Die USA und Großbritannien griffen Afghanistan am 7. Oktober 2001 an und besetzten das Land. Kein Mitglied des Sicherheitsrates verurteilte diesen Angriff, obwohl er eine Verletzung des Völkergewohnheitsrechts (3) und der Charta der Vereinten Nationen (4) darstellte. Denn laut dem Völkergewohnheitsrecht, das als Caroline-Kriterien bekannt ist, erfordert der Rückgriff auf das Recht der Selbstverteidigung „eine unmittelbare, überragende Notwendigkeit zur Selbstverteidigung, die keine Wahl der Mittel und keine Zeit zu weiterer Überlegung lässt“. Darüber hinaus muss jede Handlung verhältnismäßig sein, „da die Handlung, die durch die Notwendigkeit der Selbstverteidigung gerechtfertigt ist, durch diese Notwendigkeit begrenzt und klar innerhalb dieser Notwendigkeit gehalten werden muss“ (5).
Der Angriff auf Afghanistan in Oktober 2001 — ein Monat nach dem 11. September — erfüllte keines der Caroline-Kriterien. Resolution Nr. 1368 duldete damit einen eklatanten Akt der Aggression, also einen Angriffskrieg. Der Internationale Militärgerichtshof in Nürnberg nannte 1945 die Führung eines Angriffskrieges „nicht nur ein internationales Verbrechen; es ist das höchste internationale Verbrechen, das sich von anderen Kriegsverbrechen nur dadurch unterscheidet, dass es in sich selbst das angehäufte Übel des Ganzen enthält“ (6).
Ich behaupte, dass die Ratsmitglieder, indem sie die Bestimmung der Charta zur Selbstverteidigung in die Resolution Nr. 1368 aufnahmen, zur Verletzung des Völkergewohnheitsrechts und zur Begehung des höchsten internationalen Verbrechens durch die US-Regierung, nämlich zur Aggression, beitrugen. Und das ganz davon abgesehen, ob 9/11 tatsächlich von Islamisten begangen wurde, geschweige denn etwas mit Afghanistan zu tun hatte.
War 9/11 ein Akt des internationalen Terrorismus?
Darüber hinaus bezeichnete der Sicherheitsrat durch Resolution Nr. 1368 die Ereignisse des Vortages als einen Akt des „internationalen“ Terrorismus und als „eine Bedrohung des internationalen Friedens und der internationalen Sicherheit“, ohne den geringsten Beweis für diese Behauptungen vorzulegen. Der Rat hat bis heute solche Beweise weder angefordert noch erhalten.
Der Sicherheitsrat muss allerdings seine Entscheidungen nicht auf Fakten stützen. Er kann seine operativen Entscheidungen rechtlich auf Vermutungen, Hypothesen, Hörensagen und sogar auf Fantasie stützen. Der Sicherheitsrat wäre sogar rechtlich befugt festzustellen, dass die Erde flach ist, wenn eine solche Feststellung seinen Mitgliedern politisch gelegen käme. Die Mitglieder des Sicherheitsrates sind zwar rechtlich verpflichtet, in gutem Glauben zu handeln, aber es gibt keine internationale Instanz, die befugt ist, Entscheidungen des Sicherheitsrates auf ihre Rechtmäßigkeit zu prüfen (7).
Laut offizieller Darstellung der USA wurden am 11. September 2001 vier Flugzeuge auf Inlandsstrecken von 19 Passagieren entführt. Selbst wenn diese Darstellung der Wahrheit entsprochen hätte, wäre dies kein Akt des „internationalen“ Terrorismus gewesen, sondern bliebe ein groß angelegter Akt des inländischen Terrorismus durch Reisende, deren wahre Identität weiterhin in Frage steht.
Ein weiteres rätselhaftes Merkmal der Resolution Nr. 1368 ist die Schnelligkeit, mit der sie verabschiedet wurde. Wären die beiden oben genannten Merkmale — die Bezeichnung der 9/11 Anschläge als internationaler Terrorismus und die Bezeichnung des Terrorismus als Bedrohung des Weltfriedens — nicht in die Resolution aufgenommen worden, wäre es nicht verwunderlich gewesen, dass sie einen Tag nach den Anschlägen verabschiedet wurde. Immerhin verabschiedeten zahlreiche Regierungen und zwischenstaatliche Organisationen am 12. September 2001 Resolutionen, in denen sie die Anschläge verurteilten und ihre Solidarität mit den Opfern zum Ausdruck brachten. Sie verzichteten jedoch sorgfältig darauf, den Anschlägen eine internationale Dimension zuzuschreiben (8).
Weitreichende Implikationen
Die beiden oben erörterten Merkmale waren weder selbstverständlich noch notwendig, hatten und haben jedoch enorme rechtliche und politische Auswirkungen. Es ist unvorstellbar, dass die Personen, die im Rat sitzen und ihre Regierungen vertreten, den Wortlaut von Resolutionen auf der Grundlage ihrer persönlichen Gefühle billigen würden, ganz egal, wie stark diese auch sein mögen.
Resolutionsentwürfe des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, insbesondere solche, die Präzedenzfälle enthalten oder rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, werden in der Regel von Völkerrechtlern in den Heimatländern der Ratsmitglieder geprüft — bis hin zur Interpunktion. Es ist geradezu ausgeschlossen, dass Experten auf der ganzen Welt in der Lage sind, innerhalb von Stunden die rechtlichen und politischen Auswirkungen der oben diskutierten Merkmale zu beurteilen.
Ich kann mir nur zwei Gründe für diese Schnelligkeit vorstellen: Entweder haben die Vereinigten Staaten — mit Unterstützung ihrer NATO-Verbündeten — den Regierungen der anderen Mitglieder des Sicherheitsrates mit schweren Sanktionen gedroht, sollten sie diese Resolution nicht verabschieden, oder der Resolutionsentwurf war schon vor den Ereignissen des 11. September 2001 an ausgewählte Mitglieder des Sicherheitsrates verteilt und von ihnen gebilligt worden, um seine rasche Verabschiedung am 12. September 2001 sicherzustellen. Beide Erklärungen werfen höchst beunruhigende Fragen auf.
Die Bereitschaft aller Mitglieder des Sicherheitsrates, den Wünschen der amerikanischen Außenpolitik entgegenzukommen, wie sie in den Bestimmungen der Resolution Nr. 1368 zum Ausdruck kommt, muss als ein historischer Wendepunkt erachtet werden.
Die Vierte Säule der UNO
Seit Jahren weise ich darauf hin, dass die fünf Ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates, USA, Großbritannien, Frankreich, Russland und China, auch P5 genannt, sich dazu verpflichtet hatten zu behaupten, der „internationale Terrorismus“ sei eine der größten Bedrohungen für den Weltfrieden (9).
Diese Behauptung ist aber eine schiere Lüge, denn der Terrorismus stellt nicht einmal eine Bedrohung für die Souveränität, die nationale Verteidigung oder die politische Ordnung irgendeines Landes dar. Während Terrorismus, das heißt Angriffe auf Zivilisten zu politischen Zwecken, zweifellos ein Verbrechen ist, liegt die Zahl der jährlich durch Terrorakte getöteten Menschen in den meisten Ländern zwischen 0 und 10. In Europa, einem Gebiet mit über 500 Millionen Menschen, sterben im Durchschnitt jährlich etwa 44 Menschen durch Terroranschläge (10).
Ich habe wiederholt darauf hingewiesen, dass die Vereinten Nationen die Ideologie der „Terrorismusbekämpfung“ als eine der Säulen für das gesamte UNO-System übernommen haben. Jetzt, endlich, bin ich nicht mehr der Einzige. Im Juni 2020 hat die in Großbritannien ansässige Organisation Saferworld die Verankerung der Terrorismusbekämpfungsideologie in der Organisation der Vereinten Nationen beklagt. Das schreibt die Organisation im Vorwort zu ihrem Bericht:
„Seit einem Dreivierteljahrhundert sind Frieden, Menschenrechte und Entwicklung die drei Kernpfeiler, die den einzigartigen Zweck der UNO definieren. In der Ära nach dem 11. September hat jedoch die kollektive Entschlossenheit der Regierungen den Terrorismus als die vorrangige Herausforderung für die globale Sicherheit definiert. Die Terrorismusbekämpfung ist durch eine Flut von Resolutionen des UN-Sicherheitsrates, Strategien der Generalversammlung, neue Finanzierungsströme, Büros, Ausschüsse, Arbeitsgruppen und Mitarbeiter — alle der Terrorismusbekämpfung gewidmet — in den Vordergrund gerückt“ (11).
Die Organisation warnt mit Recht, dass mit dieser Erweiterung dem Hauptzweck der UNO und ihrer Glaubwürdigkeit Schaden zugefügt wurde.
Restliche Illusionen
Einige Kreise sind aktuell der Ansicht, Russland und China stellten im Gegensatz zum westlichen Imperialismus eine Hoffnung für die Menschheit dar – etwa als angebliche Gegenmacht. Dabei ist die diskrete Zusammenarbeit der P5 im UN-Sicherheitsrat zur Täuschung der Menschheit durch der Verbreitung der Lüge über die schreckliche Gefahr des Terrorismus nicht berücksichtigt – aber nicht nur im Bezug auf den Terrorismus. Schon im Jahr 1990 haben die P5 gemeinsam die tödlichsten Wirtschaftssanktionen gegen das irakische Volk verhängt (12) und tragen damit die Verantwortung für den Tod von einer halben Million irakischer Kinder (13).
Russland und China haben seit 1990 auch in Bezug auf die Palästinafrage die westliche israelfreundliche Position eingenommen, was man unter anderem durch eine Gegenüberstellung ihrer Abstimmungsverhalten in den Vereinten Nationen vor 1990 und danach sehen kann. Es soll darüber hinaus daran erinnert werden, dass weder Russland noch China sich für die Aufklärung der Anschläge des 11. September 2001 eingesetzt haben, obwohl sie sich als Opponenten des westlichen Imperialismus ausgeben. Das einzige mir bekannte Staatsoberhaupt, das zu einer internationalen Untersuchung der Anschläge vom 11. September aufrief, war Mahmoud Ahmadineschad, als er Präsident des Irans war (14).
Die Anti-Terrorismus-Ideologie, die jetzt durch die Ideologie der Corona-Gefahr überlagert wird, ist der Kitt, der die herrschenden Klassen bindet, und diese Ideologie steht in keinerlei Beziehung zu Al-Qaida, ISIS oder anderen echten oder gefakten Terrororganisationen. Beide Ideologien dienen dem Aufbau des Überwachungsstaates, dem Abbau der Demokratie und der Gestaltung einer globalen digitalen Diktatur. Die P5, die ihren herrschenden Klassen dienen, haben durch Lügen den Völkern den Krieg erklärt. Die Vereinten Nationen, einst eine Hoffnung für die Welt, sind zu einem Werkzeug der Unterdrückung geworden. „Wir, das Volk“ können von keiner Regierung und keiner Organisation von Staaten erwarten, unsere Rechte und Freiheiten wieder zu gewinnen. Diese Umstände zwingen uns zu einer Neuorientierung in Bezug auf die Natur des Staates und der Staaten. Wir brauchen eine neue Internationale der Völker, um uns von der globalen Diktatur zu befreien.
Quellen und Anmerkungen:
(1) Resolutionen und Beschlüsse des Sicherheitsrats vom 1. Januar 2001 bis 31. Juli 2002
(2) UN-Charta auf Deutsch
(3) „Rechtsquellen des Völkerrechts sind Verträge und Gewohnheitsrecht, ergänzt durch die von den zivilisierten Staaten anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätze“ (Art. 38 Statut des Internationalen Gerichtshofes)
(4) „Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt.“ (Charta Art. 2(4))
(5) „Overview of the Doctrine of Self Defence“, Law Teacher, 16. August 2019
(6) Auch das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs bezeichnet das Verbrechen der Aggression als eines der „schwersten Verbrechen, die die internationale Gemeinschaft gefährdet“, und sieht vor, dass das Verbrechen in die Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) fällt.
(7) Elias Davidsson, „The Security Council‘s Obligations of Good Faith“, Florida Journal of International Law, Vol. XV, Nr. 4 aus Sommer 2003
(8) Als Beispiel für diese Zurückhaltung sei hier der Beschluss der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 12. September 2001 erwähnt
(9) Siehe Resolutionen des Sicherheitsrates No. 731 (1992), 1269 (1999), 1377 (2001), 1456 (2003), 1535 (2004), 1566 (2004), 1617 (2005), 1735 (2006), 1787 (2007), 1822 (2008), 1904 (2009) , 1963 (2010), 2083 (2012), 2129 (2013), 2133 (2014), 2195 (2014), 2249 (2015), 3319 (2016)
(10) Siehe Elias Davidsson, Psychologische Kriegsführung und gesellschaftliche Leugnung (Zambon Verlag, Frankfurt a.M., 2017, 5. Auflage), S. 200
(11) https://www.saferworld.org.uk/downloads/ct-textpp-final-file.pdf
(12) Elias Davidsson, „The Role Played by the Security Council in Crippling the Iraqi Economy 1990-2001“, May 2002, unpublished manuscript
(13) Rahul Mahajan, „We think the price is worth it“, FAIR (Fairness and Accuracy in Reporting), November 1, 2001
(14) Iranian President Mahmoud Ahmadinejad‘s speech at UN General Assembly 2010