Chinas Wirtschaft

Mit den Mitteln ökonomischer Kriegsführung versuchen sich die USA einer globalen Entwicklung entgegenzustemmen, die eher China begünstigt. Teil 2: Krieg der Zölle.

Die USA verlieren wirtschaftlich immer mehr an Bedeutung, während die von China zunimmt. Mit Zöllen glaubt Donald Trump, die amerikanischen Defizite und die Staatsverschuldung beseitigen und den Lebensstandard der US-Bürger erhalten zu können. Wer in diesem Kräftemessen die besseren Karten hat, ist allerdings fraglich.

Heilung durch Zölle?

Kurz nach Beginn seiner zweiten Amtszeit hat Donald Trump ein Zollfeuerwerk gezündet. Angesichts seiner fast täglich wechselnden Beschlüsse über deren Verhängung, Erhöhung, Aussetzung und Rücknahme kann so mancher den Überblick verlieren. Hat er anfangs gegen Freund und Feind gleichermaßen die Zollkeule geschwungen, so stellt sich China als das eigentliche Ziel seines Wütens heraus. Inzwischen ist die Inflation der Prozentwerte bei 145 angekommen, China hat mit 125 Prozent auf die amerikanische Eskalation geantwortet.

Da wütet jemand, der seinen Willen nicht bekommt und sich immer mehr in die Ecke gedrängt fühlt. „Donald Trump geht an die Weltwirtschaft heran, als wäre sie der New Yorker Immobilienmarkt“ (1).

Bisher hat China die Steigerungen immer mitgemacht — aus taktischen Gründen. Nun aber hat es sich aus der Zollspirale verabschiedet. Das chinesische Finanzministerium sieht in weiteren Steigerungen keinen Sinn mehr, denn amerikanische Waren seien in China „schon auf dem jetzigen Niveau praktisch unverkäuflich“ (2).

Trump handelt emotional und selbstbezogen, China dagegen politisch. In dessen erster Amtszeit ist die chinesische Führung der Konfrontation mit den USA noch ausgewichen, jetzt aber will sie „bis zum Ende kämpfen“ (3). Fünf Jahre später ist China dazu stark genug. Nach Ansicht der chinesischen Führung hat das Land „seine Entwicklung durch Eigenständigkeit und harten Kampf erreicht, ohne sich auf die Gnade anderer zu verlassen“ (4). Man scheint den Zeitpunkt für gekommen zu halten, den USA einen Wirkungstreffer zu versetzen.

China erkennt, dass die USA schwächer sind, als Trump und seine Anhänger glauben. In amerikanischer Überheblichkeit unterliegen sie der Fehleinschätzung, „Amerika braucht andere Länder nicht in dem Maße, wie andere Länder uns brauchen“. (5)

Entweder Trump sieht nicht, wie weit die USA isoliert sind, oder aber er will es in seiner Uneinsichtigkeit nicht wahrhaben. Die US-Regierung hat es sich durch ihre rigorose Zollpolitik mit Freund und Feind gleichermaßen verdorben. Selbst die EU-Führung deutet inzwischen an, einen Ausgleich mit China finden zu wollen, zumindest was den Vertrieb chinesischer Autos angeht.

Trump scheint die Tatsache gar nicht zu verstehen, dass die Defizite und Staatsverschuldung, die er mit den Zöllen bekämpfen will, gerade Ausdruck amerikanischer Abhängigkeit sind. Die Handelsdefizite mit dem Rest der Welt zeigen, dass die USA außer Agrarprodukten und Waffen kaum noch Waren haben, die auf den Weltmärkten konkurrenzfähig sind. Deshalb steigen die Defizite. Die Welt kauft nicht mehr in den USA. Vielmehr kaufen die USA auf Pump im Rest der Welt.

Trump macht Geschäfte, China macht Politik

Diese amerikanische Verblendung und Uneinsichtigkeit nutzt China. Trump geht es in erster Linie um Persönliches, auch wenn er vorgibt, für den amerikanischen Arbeiter zu kämpfen. Er will beweisen, dass er der größte Dealmaker ist: „Lass mich Euch sagen: Ihr verhandelt nicht so, wie ich verhandle“ (6). Das glaubt er selbst. Doch China hat diesen Konflikt zu einem politischen erhoben. Den Chinesen geht es darum, die USA zu schwächen in dem Kampf, der so lange zwischen den beiden toben wird, wie die USA alles daran setzen, die Entwicklung Chinas aufzuhalten.

Denn dieses Verhalten — letztlich des gesamten politischen Westens — betrifft nicht nur China. Es betrifft die Länder der Dritten Welt, des globalen Südens, auch Russland, also fast die gesamte menschliche Schicksalsgemeinschaft, von der die Chinesen immer sprechen.

Die Konflikte der NATO mit Russland und der USA mit China zeigen, dass die Menschheit an einem wichtigen Punkt ihrer Entwicklung angekommen ist. Es geht um nichts Geringeres als das gleiche Recht aller Völker, die eigene Entwicklung selbst zu bestimmen.

Das westliche Denken in Vorstellungen der eigenen Überlegenheit hat keine Grundlage mehr, weder das Denken der Kolonialherren gegenüber den Kolonialvölkern, noch das des höheren Lebensrechts der rassistischen Herrenmenschen und auch nicht mehr das der moralischen Überlegenheit der Wertemissionare. China und Russland, die über lange Zeit nicht ernst genommen wurden, sind inzwischen stärker als der politische Westen, Russland militärisch, China wirtschaftlich.

In der derzeitigen Schwäche der USA und des in sich gespaltenen Westens versucht China, andere Länder zum Widerstand gegen die USA zu organisieren und die Zusammenarbeit untereinander zu stärken. Wenn auch Trump zwischenzeitlich wieder zurückrudern musste aufgrund der Entwicklung an den Anleihemärkten und vermutlich auch zunehmender Kritik aus den eigenen Reihen, so sind seine Zölle für die meisten Staaten nur ausgesetzt und das auch nur für drei Monate.

Gerade die Verbissenheit und Besessenheit, mit der er China bekämpft, wecken Befürchtungen im Rest der Welt über die Schäden, die seine Maßlosigkeit anrichten können. Die unüberlegte Launenhaftigkeit seiner Entscheidungen verursacht Verunsicherung, was zu wilden Ausschlägen an den Börsen führt. Amerikanische Staatsanleihen verlieren an Ansehen bei den Käufern, der Dollar verliert an Wert. Was wird sein nach den drei Monaten?

Angesichts der Willkür, mit der Trump Zölle verhängt gegen Freund und Feind gleichermaßen, bringt es keine Vorteile mehr, Amerikas Freund sein zu wollen.

Diese Verunsicherung versteht die chinesische Führung zu nutzen. Sie hat diesen Konflikt zu einem politischen erhoben, indem sie China zum Verteidiger der Welthandelsordnung macht und gleichzeitig den Völkern eine verstärkte Zusammenarbeit anbietet. Die USA in ihrem derzeitigen Zustand werden zum Auslaufmodell.

Fehlentscheidungen

Trumps unüberlegte und wenig durchdachte Schnellschüsse erweisen sich zunehmend als Belastungen. Die Märkte spielen immer weniger mit, teilweise spielen sie sogar verrückt. Besonders auffällig ist, dass gerade US-amerikanische Staatsanleihen, die bisher in jeder Krise als sicherer Hafen galten, die Gunst der Anleger verlieren. Die Rendite der 30-jährigen US-Staatsanleihe stieg am frühen Mittwoch „erstmals seit Januar kurzzeitig auf fünf Prozent. Zu Beginn der Woche hatte sie noch bei 4,4 Prozent gelegen.“ (7)

Das ist genau das Gegenteil von dem, was Trump und seine Experten erreichen wollten: US-Staatsanleihen werden massiv verkauft. Das lässt ihre Kurse sinken, was zu steigenden Renditen führt. Das bedeutet, dass die USA bei Neuemissionen von vorne herein höhere Zinssätze anbieten müssen. Durch die Verkäufe fällt auch der Dollar. Beide Entwicklungen, der Anstieg der Zinsen und der Wertverlust des Dollars, sind besonders schädlich für die ohnehin schon sehr hohen Defizite der USA.

Dass diese Defizite nun die USA zu erdrücken drohen, ist nicht zuletzt das Ergebnis des Kapitalexports nach China, den die westlichen Regierungen ab den 1980er Jahren gefördert hatten. Die Verlagerung kostenintensiver Industrien ins Reich der Mitte führte zu einer Ausdünnung der industriellen Basis der amerikanischen Wirtschaft. Arbeitsplätze, besonders in der Schwerindustrie, gingen verloren. Das hatte auch Auswirkungen auf das Steueraufkommen und schwächte die Staatseinnahmen der USA.

Die amerikanische Regierung musste durch Kreditaufnahme an den Finanzmärkten die wegbrechenden Staatseinnahmen ersetzen, wollte sie nicht die Funktionstüchtigkeit des Staates und den Lebensstandard der Amerikaner all zu sehr senken. Hinzu kamen die gewaltigen Ausgaben für Rüstung und Kriege. Sie trieben die Verschuldung von Jahr zu Jahr auf neue Höchststände. Die Kriege gegen den Terror waren teuer und haben den USA kaum Vorteile gebracht. Das gleiche gilt für die Konfrontation mit Russland.

Ungleichgewichte

Das ist die Ausgangslage für die USA in diesem Zollstreit, der sich immer mehr zu einem Konflikt mit China entwickelt. Es ist ein Kampf um die Aufrechterhaltung amerikanischer Vormachtstellung, dem aber auf Seiten der USA die wirtschaftliche Grundlage fehlt.

Chinas Wirtschaft ist zwar abhängig von den USA, denn China ist der größte Exporteur der Welt. Aber im Gegensatz dazu sind die USA der größte Warenimporteur der Welt, und die meisten dieser Waren kommen aus China.

Zudem ist China auch einer der größten Investoren in amerikanischen Staatsanleihen. Es wäre ein leichtes für die chinesische Führung, durch massive Verkäufe dieser Anleihen die Zinsen für die USA an den Finanzmärkten in die Höhe zu treiben. Dieses Geschütz hat China noch gar nicht in Stellung gebracht. Wo also will Trump die Waren herholen für seine Bürger, wenn China, der größte Warenlieferant der Welt, nicht mehr liefert?

Denn im Gegensatz zu China haben die USA in den letzten Jahren kaum Handelsabkommen mit anderen Ländern oder Wirtschaftsregionen geschlossen. Insgesamt sind es vierzehn mit zwanzig Ländern, wobei das letzte 2018 mit Kanada und Mexiko abgeschlossen wurde. Das war aber nur eine Neuauflage des bisher bestehenden, kein neues, das zu einer Ausweitung amerikanischer Wirtschaftstätigkeit geführt hätte.

Wo also sollen neue Lieferketten geknüpft werden, wenn die zu China zerrissen wird? Die Covid-Pandemie hat gezeigt, wie verletzlich die Lieferketten sind und wie schwierig es ist, neue aufzubauen. Das dauert Jahre. Wo wollen die USA die Seltenen Erden für ihre Rüstung und IT-Industrie herbekommen? Denn für diese hat die chinesische Regierung als Reaktion auf die amerikanische Zollpolitik inzwischen Ausfuhrgenehmigungen erlassen.

Dagegen meldete das chinesische Handelsministerium im Januar 2025, dass China „23 Freihandelsabkommen (FTAs) mit 30 Ländern und Regionen auf fünf Kontinenten unterzeichnet hat und sein Freihandelsnetzwerk weiter ausbaut“. (8) Dazu gehört das Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP), das weltweit größte Freihandelsabkommen, das China von Januar bis November 2024 einen Umsatz von 12 Billionen Yuan (1,7 Billionen Dollar) bescherte, einen Anstieg von 4,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Chinas Abhängigkeit vom US-Markt ist in den vergangenen Jahren zurückgegangen zugunsten höherer Exporte in den globalen Süden. 2024 hat das Land so viel exportiert wie nie zuvor. Dagegen gehen die Exporte der USA zurück, nicht nur in Richtung China, sondern weltweit. Das zeigen die Handelsungleichgewichte mit fast allen Staaten der Welt. Während China also in den letzten Jahren seine Abhängigkeit von den USA verringert hat, ist die der USA von China gewachsen.

Dass Trump über das Wochenende die Zölle auf elektronische Produkte senkte, ist das Eingeständnis, dass die USA ohne diese Importe nicht auskommen. Das zeigt die Veränderung der wirtschaftlichen Kräfteverhältnisse, die seit Trumps erster Amtszeit stattgefunden haben. Gleichzeitig hat die politische Führung in China Initiativen ergriffen zur Stärkung des Binnenkonsums, der eventuelle Rückgänge im Export umlenken soll. Diese Maßnahmen sind langfristig gedacht, nicht als Strohfeuer für die Dauer des Handelskonflikts.

Die Chinesen handeln besonnen und verstehen es sehr gut, Veränderung anzunehmen und zu ihrem Vorteil zu nutzen. Die USA wollen ihre Vormachtstellung erhalten, China will vom Wandel profitieren.

Sein Verhalten ist überlegt und ruhig. All das hinterlässt den Eindruck, dass die Chinesen sich ihrer Sache sicher zu sein scheinen, dass sie diesen Konflikt gewinnen.