Brief einer Krankenschwester

In einem Schreiben an die sächsische Regierung appelliert eine Krankenschwester, Befürworter und Gegner der Corona-Maßnahmen an einen Tisch zu bringen.

Seit knapp zwei Jahren kränkelt die deutsche Gesellschaft an Dialogverweigerung. Die Menschen hierzulande sprechen übereinander statt miteinander. Vorurteile, Klischees und Feindbilder gedeihen prächtig. Eine Krankenschwester möchte dieses soziale Gift aus den Venen der Gesellschaft pumpen und plädiert in einem Brief an die Regierung Sachsens für eine Rückkehr zum Dialog.

von Birgit Walter

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Frau Staatsministerin Köpping, sehr geehrter Herr Ministerpräsident Kretschmer, sehr geehrte Vertreter unseres Freistaates Sachsen, sehr geehrte Politiker, sehr geehrte Pressevertreter,
 
ich möchte Ihnen auf Grund des derzeitigen aktuellen Zeitgeschehens heute schreiben. Ich schreibe Ihnen, weil ich Angst habe. Angst vor der, unserer gemeinsamen Zukunft. Und ich hoffe und wünsche mir so sehr, dass ich von Ihnen, sehr geehrte Frau Köpping, Ihnen sehr geehrter Herr Kretschmer eine persönliche Antwort bekomme. Dass Sie meine Zeilen, die ich voller Sorgen an Sie schreibe, persönlich beantworten werden.

Dass wir uns vielleicht, wenn Ihre Zeit dies zulässt, gemeinsam an einen Tisch setzen werden, mit Vertretern aus Krankenhaus und Pflege, gemeinsam, wertschätzend dem Anderen zuhören, seine Gedanken und Gefühle, seine Sorgen und Ängste ernst nehmen und gemeinsam für die Menschen in diesem Land, für die Menschen in unserem Freistaat Sachsen, für die Menschen in den Krankenhäusern, für all die Menschen die an oder in Verbindung mit Corona verstorben sind, für all die Menschen, die ernsthafte Erkrankungen kurze Zeit nach der Impfung bekamen.

Um es vorweg zu nehmen, ich bin absolut keine Corona-Verleugnerin, ich schätze und achte Ihre Arbeit sehr. Ich verurteile Hass und Hetzjagden jeweiliger Art.

Ich bin Krankenschwester mit Leib und Seele und übe diesen Beruf seit 1982 aus. Seit 1982 arbeite ich in drei Schichten. Nur durch die Unterstützung meiner Familie konnte ich dies tun, auch als meine drei Kinder noch klein waren. In dieser Zeit arbeitete ich auch aktiv als Elternverteterin in den Klassen meiner Kinder.

Als mein Sohn später suchtkrank geworden ist, habe ich eine Selbsthilfe für betroffene Eltern (SHG Anker) ins Leben gerufen, bin an Schulen mit ehemaligen suchtkranken Jugendlichen gegangen, um präventiv die Suchthilfe zu unterstützen. Ich habe unter anderem Aktionen wie: „Lieber fließend skaten, statt laufend Drogen“, ins Leben gerufen, bin zu allen Verantwortlichen gelaufen, Frau Barbara Lässig, Frau Dr. Kristin Ferse, Herrn Dr. Olaf Rilke, zu Rapmusikern bin ich gegangen, damit sie diese Aktion musikalisch unterstützen. Wir haben als SHG am 24h-Lauf und Nachtlauf beim Stadtfest mit entsprechenden T-Shirts auf uns aufmerksam gemacht. Ich begleite ehrenamtlich Menschen, die von ihrem Weg abgekommen sind und jetzt in der JVA ihre Haftstrafe verbüßen.

Handeln so Menschen, die nur weil sie von den derzeitig angebotenen, zur Verfügung stehenden Impfungen einfach nicht überzeugt sind?

Nein, ich bin absolut keine Corona-Leugnerin. Ich habe von leichten, schweren bis tödlichen Verläufen alles gesehen. Ich habe die furchtbaren Lungenaufnahmen gesehen.

Als die ersten Bilder aus Wuhan und Bergamo um die Welt gingen, war ich auch entsetzt, aber zum Glück war es ja weit weg ... Und plötzlich hatten wir in unserem Krankenhaus die ersten Covid-Patienten. Und plötzlich fand ich mich, ausgerüstet mit entsprechender Schutzausrüstung, mittendrin im Geschehen, dabei die Bilder von Bergamo vor mir.

Ja, ich hatte Angst, große Angst, diese neue, so unberechenbare Krankheit mit nach Hause zu nehmen und meine Liebsten anzustecken. Ich kam mir wie ein Soldat an der Front vor, der nicht weiß, wie er und ob er aus diesem Feldzug heimkehrt. Aber mich um diese, meine Aufgabe zu drücken, kam mir nie in den Sinn. Das ist mein Beruf, meine Berufung.

Damals wurden wir wie Helden gefeiert, was auch völlig übertrieben war in meinen Augen. Damals schenkten uns Firmen so viele Dinge, wie Schokolade, Pizzen und vieles mehr. Das war zwar nett, aber ob dies wirklich immer selbstlos war, wage ich in Frage zu stellen.

Geschäfte, die plötzlich schließen mussten, verschenkten sicher nicht umsonst lieber verderbliche Waren, wie zum beispiel Schokolade, an Menschen, die eventuell später, also derzeitig noch, kaufkräftig sind.

Auf meine damalige Frage, warum sie dies nicht an Obdachlosenheime, Altenheime, Asylantenheime verschenken, kam keine Antwort. Meine persönlichen Gedanken dazu, dort leben sicher nicht diejenigen, die später, nach der Zeit der Pandemie, die Möglichkeiten haben, sich neu einzukleiden, neu einzurichten. Aber ich möchte die Aktionen nicht verurteilen von damals. Wir haben uns trotzdem sehr darüber gefreut und irgendwie tat es auch gut, auf einmal von der Öffentlichkeit wahrgenommen und als Berufsgruppe wertgeschätzt zu werden.
 
Ja seit 1982 arbeite ich in drei Schichten, trotz dreier Kinder. Das bedeutet: Jedes Jahr arbeite ich Weihnachten oder Silvester. Urlaub zwischen diesen Tagen: Verboten! Jedes Jahr arbeite ich Ostern oder Pfingsten, am ersten Mai oder Männertag und so weiter. Jeden Monat arbeite ich mindestens an zwei oft drei Wochenenden.
 
Dafür möchte ich keinen Applaus, das ist meine Arbeit, die ich liebe, dies ist meine ganz persönliche Entscheidung.

Und sehen so in Ihren Augen Verschwörer aus? Sehen so Menschen aus, die kein Verantwortungsbewusstsein haben?
 
Oft liefern uns Rettungsdienst und Polizei in Schutzausrüstung sehr aggressive Patienten ein. Wie oft standen wir dann plötzlich ohne Hilfe der Polizei diesen Menschen allein und ungeschützt gegenüber.

Wie oft bekommen wir Patienten mit Infektionskrankheiten in unsere Rettungsstelle. Ob Norovirus, Influenza oder bakterielle Meningitis, ob MRSA, 3MRGN, 4MRGN und so weiter. Und dass sich dann Ärzte und Schwestern anstecken, lässt sich leider nicht immer vermeiden.

Sehen so Verschwörer, verantwortungslose Pflegekräfte aus?
 
Wie oft mussten wir uns schon von der Leitstelle abmelden, lange vor Corona, weil entweder keine Betten mehr frei waren oder weil Personal fehlte. Aber offiziell darf man sich so nicht abmelden, also muss man sagen, es gibt keine Betten. 

Wie viele Krankenhausbetten sind seitdem einfach weggefallen? Das kleine Krankenhaus DD Neustadt, in dem ich arbeite, soll sogar abgeschafft werden. Wir hatten vor Jahren eine so gute Neurochirurgie. Die Menschen kamen extra von weit her, um sich voller Vertrauen in die Behandlung unserer Ärzte zu begeben.

Wir hatten eine so gut laufende Neurologie, deren Entstehung ich voller Stolz miterleben durfte. Vom Eintreffen eines Patienten mit Verdacht auf Schlaganfall bis zu seiner fachgerechten Versorgung vergingen keine fünf Minuten. Der Patient kam und sofort wurde er auf den CT-Tisch gelegt, begleitet von erfahrenen Neurologen.

Jetzt ist das alles ins Krankenhaus Friedrichstadt gegangen. Aber haben unsere Kollegen in Friedrichstadt nun mehr Mitarbeiter pro Schicht zur Verfügung? Haben Sie sich je Gedanken gemacht wie unser Arbeitsalltag wirklich aussieht? Warum wird aus der völlig leer stehenden Station, als eine von vielen, nicht eine IMC-Station?

Warum ging und geht man so auf Verschleiß mit Pflegekräften, Labor- und Röntgenassistenten sowie Ärzten um?

Wie oft arbeiten wir ohne Pause, um dem ständig steigenden Arbeitsdruck noch standhalten zu können.

Wie oft wurden in den vergangenen Jahren Überlastungsanzeigen von Kollegen der Notaufnahme und den Stationen geschrieben. Aber passiert ist nicht wirklich etwas. 

Statt Patientenkontakt ist Dokumentation scheinbar wichtiger geworden. Dabei ist es so wichtig Zeit zu haben, für das persönliche Gespräch mit den Patienten. Seine Ängste und Sorgen ernst zu nehmen. Und plötzlich, nach so einem Gespräch hat sich der Blutdruck des Patienten wieder normalisiert, sein Herzrasen, seine Hyperventilation ist verschwunden, manchmal auch ohne Medikament, einfach nur durch Zuhören.
 
In meinem Beruf ist es so wichtig, Zeit zu haben für einen Menschen, der gerade erfahren musste, dass sein Befund nicht gut aussieht, ihm nicht mehr viel Zeit bleibt zum Leben. Das alte Ehepaar sitzt vor mir, die Frau oder der Mann hat Angst, den Partner zu verlieren, Angst den Partner allein zurücklassen zu müssen, Angst vor dem, was kommt, vor Schmerzen und Leiden. Und wissen Sie, was dann das größte Geschenk für mich war: wenn ein solches Ehepaar mich nach unserem Gespräch anstrahlte und mir sagte, was für ein Glück, dass wir sie heute getroffen haben, dass sie heute da sind, sich diese Zeit nehmen, obwohl ich sie in diesem Moment eigentlich nicht habe, weil das Wartezimmer übervoll, alle Zimmer belegt und der Rettungsdienst darauf wartet, endlich seinen Patienten an uns abgeben zu können. Und dies war lange vor Corona.
 
Sehen so Verschwörer, verantwortungslose Schwestern und Pfleger aus?
 
Gleichzeitig beobachte ich einen leider seit Jahren zunehmenden Trend. Das Anspruchsdenken vieler Menschen, dass wir zu jeder Tages- und Nachtzeit für alles zur Verfügung stehen müssen. Für Halsschmerzen, Schlafstörungen, leichte Beschwerden, Bagatellverletzungen, die seit Tagen bestehen, nun plötzlich in der Nacht so wichtig sind, dass sie nachts behandelt werden müssen. 

Gleichzeitig lässt sich der Kollege im Dienst von uns seinen hohen Blutdruck wegspritzen, die Kollegin sich ihre starken Hüftschmerzen wegspritzen und sie arbeiten trotzdem weiter, einfach weil sie ihre Kollegen nicht hängen lassen möchten. Mit dem Rest des Medikaments, die Spritze in der Brusttasche, geht es jetzt nicht ins Bett, sondern ans Briefe schreiben. Ist das wirklich so selbstverständlich?

Sind dies wirklich in Ihren Augen Menschen, die den Bezug zur Realität verloren haben?

Seit Beginn der Pandemie erhalten wir so viele Anrufe von verunsicherten Menschen, die nicht wissen, wo sie sich melden sollen, was sie tun sollen, die mit täglich neu geschürten Angstbildern klar kommen müssen und sich im Stich gelassen fühlen, oft beim Hausarzt draußen stehen mussten, zwischen anderen Verdachtsfällen und sich häufig nur unzureichend behandelt und betreut fühlen. Ja und manche halten dann diesen Druck von außen nicht mehr stand und scheiden freiwillig aus dem Leben. Auch dies musste ich leider persönlich erleben.
 
Eine alte, sehr kluge Oberärztin sagte einmal: „Jede Generation erschafft sich ihre eigenen Seuchen.“
 
Ja, es wird sie auch weitergeben, leichtere und eventuell noch viel schlimmere Erkrankungen, ausgelöst durch Viren und Bakterien. Die Frage ist nur: Wie werden wir in Zukunft damit umgehen können?

Unbemerkt von Covid mussten wir uns auf Ebola vorbereiten, wenn der Ernstfall kommt, wie ziehe ich mich an und wieder aus, um mich und andere nicht zu gefährden. Das war so furchtbar in dieser Schutzkleidung mit Klebefolie zusätzlich gefährdete Einlasspforten abzukleben. Das Gefühl, zu ersticken in dieser Schutzkleidung — und dabei war es Gott sei Dank, nur eine Übung von kurzer Dauer.  Den Ernstfall mag ich mir gar nicht ausmalen.

Ja, ich sehe die Gefahren, verschließe mich nicht den derzeitig zur Verfügung stehenden Möglichkeiten und ein Großteil meiner Kollegen ist geimpft, teils aus Überzeugung, teils wegen des Drucks von außen. Ich habe mir meine Entscheidung nicht leicht gemacht.

Ich habe, wie oben geschrieben, beide Seiten erlebt: von leichten bis ganz schlimmen Covid-Erkrankungen bis hin zum Tod. Aber ich habe, und da bin ich leider nicht die einzige, auch miterleben müssen, dass plötzlich junge Menschen mit Thrombose, Lungenembolie, Myocarditis, Schwindel und schlimmsten Kopfschmerzen entweder kurz nach, einige Tage oder zwei bis drei Wochen nach der Impfung zu uns kamen, Menschen mit Hirnvenenthrombosen, Menschen mit Schlaganfall einige Tage nach der Covid-Impfung.

Ich kann den Zusammenhang nicht beweisen, es wird auch nicht wirklich dokumentiert, jedenfalls werden diese für mich zunehmenden Wahrnehmungen oft ausgeblendet. Weil nicht sein darf, was nicht sein kann? Vielleicht irre ich mich, beweisen kann ich dies nicht. Aber ich denke, auch diesen Verdachtsfällen sollten wir Beachtung schenken, diese unsere Wahrnehmung genau so ernst nehmen. Schließlich geht es um das Wohlergehen jedes einzelnen Menschen.

Ich bin nicht die Einzige, die diese Beobachtungen machen musste. Ich möchte hiermit auch nicht dafür plädieren, dass, sich nicht impfen zu lassen, die bessere Variante ist. Bisher habe ich mich gegen so vieles impfen lassen, ohne mir jemals darüber Gedanken gemacht zu haben. Bei einer Impfung gegen Hepatitis werden erst meine Antikörper bestimmt, ob diese noch ausreichen oder eine Impfung zu empfehlen ist. Warum gilt dies nicht auch bei Covid?

Ja, wir wissen alle viel zu wenig über diese Erkrankung und sollten uns dies auch eingestehen und gemeinsam und wertschätzend lösungsorientiert arbeiten. Der Impfzwang ist für mich nicht nachvollziehbar, nicht die Lösung, steht nicht für Vertrauen.

Was ich mir wünsche: Ich wünsche mir eine verantwortungsvolle Politik. Ich finde es so furchtbar, wenn Menschen in Führungspositionen wie Ministerpräsident Bodo Ramelow von Nicht- beziehungsweise zweitrangiger Behandlung von Ungeimpften reden, die im Triagesystem nach hinten fallen sollen. Und dabei müsste doch jedem bekannt sein, dass wir als Schwestern und Ärzte auf den hippokratischen Eid geschworen haben: Wir sind da, um zu helfen, je nach Schwere der Erkrankung und nicht, um zu richten.  
 
Wie viele Alkoholiker, Raucher, Menschen, die derzeitig eine Strafe in der JVA absitzen, Menschen, die sich selbst oder andere mutwillig verletzten, habe ich genauso behandelt wie jeden, der als geimpft oder nicht geimpft, Nichtraucher, Abstinenzler zu uns kommt und einfach unsere Hilfe in diesem Moment benötigt. Das ist es doch, was helfen bedeutet, was Menschlichkeit ausmacht!
 
Nein, ich habe mir meine Entscheidung, mich nicht impfen zu lassen, nicht leicht gemacht. Mir ist bewusst, dass ich an Covid erkranken und auch daran sterben kann. Mir ist bewusst, dass der Beschluss der Regierung längst verabschiedet, wir aus der Pflege nur der Anfang einer staatlich verordneten Impflicht sein werden. Das ich wohl ab März meinen Beruf, der für mich trotz allem immer noch Berufung ist, nicht mehr ausüben darf. 

Irgendwie bin ich auch müde geworden, die vielen Jahre in der Pflege, in drei Schichten mit dem ständigen Auf und Ab, was die Zukunft meines kleinen, von mir geliebten Krankenhauses betrifft. Ja, ich habe Angst, Angst um meine Zukunft, Angst um die Zukunft meines Krankenhauses, meiner Heimat, meines Landes.

Wie oft werden wir uns in Zukunft boostern müssen, um noch ein wenig am öffentlichen Leben teilnehmen zu dürfen? Gehört nicht der Tod zum Leben, so wie das Leben zum Tod? Auch ich möchte gern noch ein wenig auf dieser Welt verweilen dürfen. Auch ich wünsche mir ein Ende der derzeitigen Lage. Aber die aktuell zur Verfügung stehenden Impfungen überzeugen mich einfach nicht und machen mir persönlich große Angst. Sehen so verantwortungslose Pflegekräfte aus?
 
Ich glaube, es ist an der Zeit, dass wir uns als Menschheit, als selbsternannte Krönung der Evolution, ein klein wenig mehr in Demut üben. Uns ein klein wenig aus all den Hochglanzpostern, der ewigen Jugend ohne Falten und Alterserkrankungen verabschieden. Dass wir unseren Lebensabend in Würde verbringen dürfen, selbstbestimmt. Unsere derzeitige Schulmedizin sehe ich als Segen und Fluch zugleich.

Wir haben viel erreicht, auf was wir stolz sein können, aber manchmal verlieren wir dabei den Blick auf das Wesentliche: Was ist jetzt im Sinne des Patienten: Auf Teufel komm raus zu versuchen, einen Menschen am Leben zu erhalten, egal wie alt er ist, unabhängig von seinen Vorerkrankungen, oder ihm die Möglichkeit zu geben, in Würde diese Welt verlassen zu dürfen, friedlich einschlafen zu dürfen. Eins meiner schönsten und intensivsten Erlebnisse war, als ich einem sterbenden Menschen die Hand halten durfte, einfach da sein durfte und wir uns beide anlächelten und dieser Mensch mit einem Lächeln im Gesicht einschlief.

Wir haben so viel erreicht mit der Schulmedizin, als Menschheit, aber gleichzeitig vergessen wir immer mehr, dass der Mensch mehr ist als das Symptom, die Fallpauschale. Das der Mensch Körper, Geist und Seele ist. Und die Seele bleibt leider als unwichtig belächelt uneinbezogen auf der Strecke.
 
Und so sehe ich auch die Menschen, die auf die Straßen gehen — jeder Einzelne hat seine Symptome, zusammen sind sie ein Symptom unserer Gesellschaft — auch der Mensch von der Presse, von der Polizei, Vertreter der Politik — jeder hat seine Symptome, zusammen bilden sie das Symptom unserer narzisstischen, selbstgerechten Gesellschaft. 
 
Aber wenn wir wirklich diese Pandemie meistern wollen, dann sollten wir uns doch endlich zusammen an den Tisch setzen, die Symptome gemeinsam anschauen, um die Ursache zu verstehen und somit zusammen kompetent an gemeinsamen Lösungen und an Heilung arbeiten. 

Respekt und Toleranz vor der Entscheidung Geimpfter und Ungeimpfter. Bereit sein, ein Stück in den Schuhen des anderen zu gehen. Damit wir nach der Pandemie uns noch in die Augen schauen können.

Damit wir alle jeden Tag unser Bestes geben können, für uns selbst, für uns als Menschheit. Damit wir noch in den Spiegel schauen können.
 
Sehr geehrte Frau Staatsministerin Köpping, sehr geehrter Herr Ministerpräsident Kretschmer, ich wünsche mir, dass Sie die Kraft haben werden, zusammen mit Menschen aus allen Berufsgruppen diese schwierige Zeit zu meistern.

Ich wünsche Ihnen Kraft, Mut, Glauben und Zuversicht. Ich wünsche Ihnen Zeit. Zeit haben zum Leben. Zeit zum Innehalten, um all die kleinen und großen Wunder dieser Welt bewusst wahrnehmen zu können.

Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien alles Gute, bleiben Sie gesund und kommen Sie gut durch diese für uns alle schwierige Zeit.
 
Hochachtungsvoll
 Schwester Birgit Walter


Birgit Walter, Jahrgang 1965, absolvierte von 1982 bis 1985 eine Ausbildung zur Krankenschwester. Seit 1985 ist sie in verschiedenen Fachbereichen in einem Krankenhaus tätig. Seit 2002 arbeitet sie in der Notaufnahme. Sie ist verheiratet und hat drei erwachsene Kinder.


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