Bodos „Rinkspartei“
Mit Bodo Ramelow ist die Linkspartei zur Mitverwalterin eines Systems avanciert, das für Elend, Ausbeutung und Krieg verantwortlich ist.
Nach allerlei Machtspielen von rechts ist der Linke-Politiker Bodo Ramelow nun doch vorerst wieder Ministerpräsident von Thüringen. Aber seine rot-rot-grüne Koalition steht auf wackeligen Füßen. Sie ist erpressbar, denn das rechte Lager, von der AfD über die CDU bis hin zur FDP, ist stark. Unschuldig sind Ramelow und die gesamte Führung seiner Partei daran nicht.
Thüringer Zustände
Ramelow vereint unter sich eine Minderheitsregierung aus Linkspartei, SPD und Grünen. Um überhaupt etwas durchsetzen zu können, braucht sie Stimmen aus der CDU, der FDP oder gar der AfD. Als Vize agiert neben dem Linke-Ministerpräsidenten der AfD-Mann Michael Kaufmann. Das Unglaubliche: Auch Ramelow hat ihm seine Stimme gegeben. Nach eigener Aussage habe er die AfD milde stimmen und dazu bewegen wollen, ihre Blockade der Wahlausschüsse von Richtern und Staatsanwälten aufzugeben.
Letzteres wiegt besonders schwer. Denn Thüringens AfD-Landes- und Fraktionschef, der aus Hessen stammende Geschichtslehrer Björn Höcke, ist nicht irgendwer. Es gibt Fotos von ihm auf einem der größten Neonaziaufmärsche in Dresden. Es ist bekannt, dass er mit nahezu hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit unter dem Namen Landolf Ladig für zwei Neonazi-Blätter übel volksverhetzende Artikel geschrieben hat.
Nicht zuletzt geht Höcke mit seinen mörderischen Fantasien von „Tausend Jahren Deutschland“ mit biologischer Menschensortierung seit Jahren hausieren. In seinem Buch „Nie zweimal in denselben Fluss“ stellt er klar, mit welchen „wohltemperierten Grausamkeiten“ er nicht nur gegen „Migranten und andere Volksfremde“, sondern auch „Volksteile, die zu schwach oder nicht willens sind“, vorgehen will.
Eins ist so gut wie sicher: Die AfD hat in Thüringen nicht trotz dieser faschistischen Allmachts- und Vernichtungsträumereien gut 23 Prozent der Stimmen abgegriffen, sondern gerade deshalb. Ein wenig anders steht es um Ramelows Partei: Sie bekam 31 Prozent der Wählerstimmen wohl eher trotzdem — also trotz ihrer im Kern anti-linken Politik der Anbiederung an marktextremistische „Notwendigkeiten“.
Links und rechts verwischt
Die Empörung schlug auch innerhalb der Linkspartei hohe Wellen. Austritte wurden angekündigt, Parteiausschlussverfahren gefordert. Doch die Abstimmung Ramelows für den AfD-Mann als seinen Vize, angeblich um den Stillstand in Thüringen abzuwenden, ist bei näherem Hinsehen nur die Spitze des Eisbergs von politischen und moralischen Verwerfungen in einer Partei, die sich „Die Linke“ nennt.
Niemand muss sich wundern, wenn linke Politik von einem vermutlich nicht geringen Teil der Bevölkerung mit dem Andienen an das Establishment gleichgesetzt wird. Nichts anderes praktiziert die Linkspartei seit Jahren überall dort, wo sie an der Politspitze sitzt. Damit half sie tatkräftig bei der Verwirrung der Begriffe „links“ und „rechts“ mit.
Wo das Gebaren sich links Nennender als Einheitsbrei mit dem Establishment daherkommt, können sich Rechtsextreme als eine „Opposition“ vermarkten, die sie nicht sind.
Zum Verständnis: Links sein, sich uneingeschränkt auf die Seite aller Unterdrückten, Ausgegrenzten und Entrechteten zu stellen, und zwar international. Es bedeutet, alle Menschen als gleichwertig zu betrachten, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Glauben, Geschlecht oder anderen Eigenschaften.
Rechts steht, wer die Ungleichwertigkeit und Herrschaft von Menschen über Menschen bewahren will. Ein Faschist ist, wer diese rechte Ideologie mittels offener Gewalt durchsetzen will.
Dass viele linke Ziele im Kapitalismus im imperialistischen Stadium nicht umgesetzt werden können, ist systemische Konsequenz. Darum steht, wer ernsthaft links handelt, per se in radikaler Opposition zum herrschenden System und dessen territorialem Manager, dem Staat.
Wer für hohe Ämter kandidiert, anschließend all die Vorgaben des Systems nicht nur aktiv und völlig unkommentiert erfüllt, sondern dies zudem als „linke Politik“ deklariert, müsste schon deshalb aus einer linken Partei umgehend ausgeschlossen werden. Denn derjenige sabotiert grundsätzliche linke Werte.
Um es anders auszudrücken:
Dem Hartz-IV-Bezieher ist es egal, ob er in einem von rechts oder pseudolinks regierten Land in die Obdachlosigkeit sanktioniert wurde.
Auch den Afghanen, der in Krieg und Hunger abgeschoben wird, interessiert es nicht, wer dafür den Hut aufhatte. Ob die thüringische Firma Jenoptik, mit deren Chefs Ramelow nicht nur einmal Häppchen dinierte, von einem „linken“ oder rechten Politchef grünes Licht für Belieferung von Rüstungskonzernen erhält, ist den Profiteuren völlig wurscht.
Mitverwalten des Systems stärkt Marktextremisten
Mit Bodo Ramelow ist die Linkspartei nunmehr nicht nur zur Mitverwalterin eines Systems avanciert, das täglich für unbeschreibliches Elend, brutalste Ausbeutung und den Tod Tausender Menschen verantwortlich zeichnet. Sie hat nun auch einen Funktionär an der Spitze eines Bundeslandes, der aus taktischen Gründen mal eben einem Mitglied einer faschistischen Partei einen Posten beschert. Das ist ein No-Go.
Damit verkommt die ganze Hysterie um FDP-Mann Thomas Kemmerich, der sich mit den Stimmen der AfD kurzfristig im Februar zum Ministerpräsidenten hat wählen lassen, zu einer moralinsauren Show — an der sich übrigens auch Ramelow an vorderster Front beteiligt hatte. Dass eine marktradikale Partei wie die FDP anderen marktradikalen Parteien — völlig egal, ob dabei eher konservativ-autoritär oder neoliberal ausgerichtet — nähersteht als einer Partei, die sich links nennt, war vorher klar.
Das Fazit aus dem Thüringen-Theater ist: Wieder einmal geht die AfD gestärkt hervor. Die Partei die Linke spielt mit der SPD und den Grünen Friede, Freude, Eierkuchen, buhlt um Stimmen bei CDU und FDP — und rutscht in der Wahrnehmung der Masse nur tiefer in den Sumpf des politischen Einheitsbreis. Die AfD kann und wird sich noch lauter als angebliche Opfer-Opposition aufspielen. Was sie natürlich nicht ist, weil sie die kapitalistischen Ausbeutungsverhältnisse nicht abschaffen, sondern nur ethnisieren und brutalisieren will.
Lächerliche Buhlerei um Anerkennung
Man könnte nun argumentieren, die Linke brauche Anerkennung beim Bürgertum, um stärker zu werden. Die verschaffe sie sich nicht mit radikalen Parolen, sondern durch Anpassung. Belegt ist dies durch nichts. Wahrscheinlich ist sogar das Gegenteil der Fall. Außerdem: Mehr Anerkennung wird sie trotz aller Buhlerei wohl kaum aus dem marktextremistischen Lager erhalten.
Das hat jüngst ein Vorfall gezeigt. Auf einem Treffen der Partei in Kassel hatte ein Mitglied in einer Diskussion klargestellt, die Energiewende sei auch nach einer Revolution nötig:
„Auch, wenn wir das eine Prozent der Reichen erschossen haben, ist es immer noch so, dass wir heizen wollen, uns fortbewegen wollen — na ja, ist so, wir müssen mal von dieser Meta-Ebene runterkommen.“
Linksparteichef Bernd Riexinger scherzte darauf, dass man die Reichen nicht erschieße, sondern „schon für nützliche Arbeit einsetzen“ wolle. Was für ein Aufschrei, der im Anschluss durch die rechten Filterblasen, die Springerblätter und andere rechtspopulistischen Medien wie etwa Focus tobte!
Mal abgesehen davon, dass die reichen Profit-Scheffler, wie oben schon angemerkt, für Tausende Tote täglich mitverantwortlich sind:
Geradezu lächerlich war die Reaktion aus der Linksparteiführung selbst. Man entschuldigte sich, dementierte, griff sogar Genossen öffentlich an — und Ramelow mit dabei.
Wann hat sich der AfD-Mann Alexander Gauland je für seinen „Vogelschiss“ entschuldigt? Wann hat diese Partei jemals für die andauernde Verbreitung von Fakes und Hetze gegen Minderheiten — erinnert sei an den Aufruf von Beatrix von Storch, an den Grenzen auch auf Kinder zu schießen — um Verzeihung gebeten? Nicht ein einziges Mal.
Oder wann haben sich CDU, FDP und SPD von den menschenverachtenden Äußerungen gegen Hartz-IV-Bezieher, Geflüchtete oder EU-Migranten aus ihren Reihen distanziert? Ebenfalls zu keiner Zeit.
Linke Solidarität statt Klüngeln mit den Rechten
Dass sich ernsthaft Linke für ein Ende der Ausbeutung von Armen durch Reiche einsetzen, ist genauso bekannt, wie die Tatsache, dass Reiche keine Lust darauf haben, sich enteignen zu lassen, und sich dagegen wehren werden — dummerweise haben sie dafür einen bewaffneten Staat im Rücken. Mit bunten Wattebällchen kann es also nicht gelingen, die Wirtschaft für die Allgemeinheit nützlich zu machen.
So ist auch diese Posse, ebenso wie die Thüringer Vorgänge, nur ein Abbild des Zustands einer vollkommen vom System vereinnahmten, sich links nennenden Partei.
Links dagegen zu halten, scheint dringend nötig. Wer dies tun will, muss lauter werden, populistischer, realitätsnäher und vor allem: solidarischer. Linke Solidarität bedeutet: internationale Klassensolidarität.
Oder wie der Betreiber des YouTube-Kanals „Willkommen im Neoliberalismus“ es ausdrückte:
„Wenn irgendwo nur eines unser Klassengeschwister durch das System in Not gerät, müssen sich alle Linken zusammentun und ‚Krieg!‘ rufen.“