Blockade statt Aufklärung
Das Verfahren zur Klage von Rubikon-Herausgeber Jens Wernicke gegen Maskenpflicht und Abstandsgebot wird in die Länge gezogen.
Rubikon-Herausgeber Jens Wernicke hatte am 28. April 2020 beim Verwaltungsgericht Mainz eine Klage gegen die seitdem geltende Maskenpflicht in Rheinland-Pfalz sowie das bundesweite „Abstandsgebot“ eingereicht. Doch das Verfahren zieht sich in die Länge. Nach wie vor wurden die entscheidungserheblichen Dokumente und Akten nicht vorgelegt. Zudem zieht es der Beklagte vor, den Kläger zu beleidigen, statt seine Grundrechtseingriffe zu erklären. Ein Überblick über die Situation.
Eine meiner Rechtsanwältinnen, Jessica Hamed, hat für das Vorgehen der Gegenseite deutliche Worte gefunden.
Auszugsweise heißt es in dem Schriftsatz:
„Bevor hierauf eingegangen wird, sei jedoch die Anmerkung erlaubt, dass es sehr befremdlich ist, dass dem Beklagten, der schließlich massiv in die Rechte des Klägers sowie aller in Rheinland-Pfalz befindlichen BürgerInnen eingegriffen hat, nichts Besseres einfällt, als den Kläger zu beleidigen, in dem er behauptet, dass der Kläger in seiner ‚hyperindividualistischen Argumentation‘ verkenne, dass der Mensch als gesellschaftsgebundenes, soziales Wesen nicht nur für sein eigenes Wohlergehen, sondern auch für das Wohlergehen seiner Mitmenschen Verantwortung übernehmen müsse (Stellungnahme vom 14.10.2020, dort S. 39). Der belehrende und herabwürdigende Ton ist sicherlich nicht die angemessene Reaktion auf das berechtigte Interesse des Klägers die beispiellosen Grundrechtseingriffe des Beklagten einer gerichtlichen Prüfung zuzuführen.“
Auch in Sachen Akten haben wir nochmal nachgelegt:
„Der Beklagte hat bislang lediglich vereinzelte Dokumente mit Schriftsatz vom 30.06.2020 übermittelt, die das Gericht zu Recht selbst nicht als Akte angesehen hat, so hat es diese Dokumente im Schriftsatz vom 01.07.2020 als ‚diverse Anlagen‘ bezeichnet.
Mit diesen Dokumenten lassen sich beispielsweise die folgenden entscheidungserheblichen Fragen nicht beantworten:
- Von welcher Tatsachengrundlage ging der Beklagte aus?
- Welche Gefahrenlage hat er gesehen?
- Wie war diese begründet?
- War sie nachvollziehbar begründet?
- Welche Annahmen hat er zugrunde gelegt?
- Hat der Beklagte erkannt, dass er eine zwischen verschiedenen Rechtsgütern abwägen muss?
- Hat er erkannt, welche Belange von den Anordnungen betroffen sind?
- Wurden alle relevanten Belange ermittelt?
- Wie wurden die einzelnen Belange gewichtet? Losgelöst vom Gesamtbild ist nämlich jedes Belang einzeln zu gewichten. Hierbei spielt es z.B. eine Rolle, wie tief der Eingriff ist
- Wie wurden alle Belange nachdem sie identifiziert und gewichtet wurden gegeneinander abgewogen?
Aktuell ist aufgrund der bislang vorgelegten Dokumente zu befürchten, dass der Beklagte keine ausreichende Verhältnismäßigkeitsprüfung vorgenommen hat.
Die hier vertretene Rechtsansicht, dass eine Aktenführung selbstverständlich zwingend erfolgen muss, bestätigt auch der Regensburger Universitätsprofessor Gerrit Manssen in einem Fernsehbeitrag (Hervorhebungen durch die Unterzeichnerin):
‚Ausdrücklich gesetzliche Anweisungen dazu gibt es keine, aber es folgt natürlich aus der Grundrechtsbedeutung dieser Corona-Maßnahmen und auch aus den Anforderungen einer rechtsstaatlichen Verwaltung, dass man Entscheidungsgrundlagen dokumentiert, um die Überprüfung durch die Gerichte hinterher auch möglich zu machen.‘
Der Verfassungsgerichtshof Österreich hat ferner jüngst in diesem Zusammenhang im Rahmen von sechs Entscheidungen für eine Reihe von COVID-19-Maßnahmen deren Rechtswidrigkeit festgestellt und dies letztlich damit begründet, dass die Entscheidungsfindung der Behörde — des Gesundheitsministers — nicht nachvollziehbar gewesen sei.“
Weiterhin halten meine Anwälte auch die Rechtsgrundlage für nicht gegeben. Dazu wurde auf den Seiten 17 bis 21 ergänzend vorgetragen. Es wird dort auch eine Vorlage zum Bundesverfassungsgericht thematisiert:
„Sollte die Kammer in den §§ 28, 32 IfSG wider Erwarten eine ausreichende Rechtsgrundlage für die hier beanstandeten Bestimmungen erblicken, so führt dies nach hiesiger Ansicht nur zu einer Verlagerung der hier aufgeworfenen Rechtsfragen.
Wäre § 28 IfSG wirklich so weitgehend zu verstehen, wäre diese Vorschrift ihrerseits verfassungswidrig und müsste demnach von der Kammer gemäß Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen.“
Auf den Seiten 21 bis 39 wird nochmals dargelegt, warum die Datenlage (Unzuverlässigkeit der PCR-Tests und alle daraus abgeleiteten Zahlen) für die gravierenden Grundrechtseinschränkungen nicht ausreichend war und ist. Unter anderem ist dort zu lesen:
„Interessant ist insbesondere die Behauptung, dass es im Geltungszeitraum der hier streitgegenständlichen 4. und 6. CoBeLVO zu ‚mehr als 1.200‘ Corona-Neuinfektionen gekommen sein soll (Stellungnahme vom 14.10.2020, dort S. 26).
Die seitens des Robert Koch-Instituts vermittelten Fallzahlen können nicht mit ‚Neuinfektionen‘ gleichgesetzt werden.
Gemäß § 2 Nr. 2 IfSG versteht man unter einer Infektion die Aufnahme eines Krankheitserregers und seine nachfolgende Entwicklung oder Vermehrung im menschlichen Organismus.
Folglich muss ein Krankheitserreger aufgenommen werden. Ein Krankheitserreger ist gemäß § 2 Nr. 1 IfSG ein vermehrungsfähiges Agens (Virus, Bakterium, Pilz, Parasit) oder ein sonstiges biologisches transmissibles Agens, das bei Menschen eine Infektion oder übertragbare Krankheit verursachen kann.
Ob ein Virus aber vermehrungsfähig ist, kann indes nicht ohne Weiteres mittels eines PCR-Tests festgestellt werden.
Das — nämlich der Umstand, dass der PCR-Test keine Rückschlüsse auf die Infektiosität zulässt — hat jüngst auch das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen mit Beschluss vom 25.11.2020 bestätigt (AZ: 13 B 1780/20. NE).“
Besonders ausführlich beschäftigt sich der Schriftsatz mit dem Stand der Wissenschaft zum epidemiologischen Mehrwert der allgemeinen Maskenpflicht (hierfür gibt es keine Evidenz) auf den Seiten 39 bis 97.
„Abschließend beantragten wir eine baldige Terminierung der Gerichtsverhandlung: wird beantragt, alsbald einen Termin zur mündlichen Hauptverhandlung in Absprache mit den Prozessbevollmächtigten bis zum 18.12.2020 zu bestimmen.
Alle Argumente wurden erschöpfend ausgetauscht.
Nach hiesiger Ansicht ist auch die Einholung von Sachverständigengutachten nicht nötig, da bereits aufgrund der fehlenden Rechtsgrundlage sowie jedenfalls aufgrund der — Stand jetzt — nicht möglichen Nachprüfbarkeit der Verhältnismäßigkeitserwägungen den Anträgen stattzugeben sein wird.“
Zunächst wurde nunmehr dem Beklagten bis zum 29. Januar 2021 Zeit gegeben, erneut zu erwidern — wie lange soll das noch hin und her gehen? Es gibt schließlich nichts mehr zu sagen, nur noch zu entscheiden.