Blitzkrieg 2.0
Krieg, bitte — aber schnell!
Ob das Nervengift in Salisbury tatsächlich russischen Ursprungs war und der angebliche Giftgas-Einsatz in Duma wirklich auf Assads Konto geht — alles egal. Hauptsache Stimmungsmache gegen Russland und dessen Verbündete. Denn wenn der Westen eines aus seinen vergangenen Regime Change-Anstrengungen gelernt hat, dann das: Es muss schnell gehen. So schnell, dass keine kritischen Fragen, keine Zweifel und schon gar kein Widerstand beim heimischen Publikum mehr möglich sind, schreibt der frühere britische Botschafter Craig Murray.
Die vier apokalyptischen Reiter
Die Medien, die sich über den Angriff in Salisbury mit „einer Massenvernichtungswaffe“ (Zitat Theresa May) echauffiert hatten, die nur aus Russland stammen konnte — was nur leider nicht stimmte —, und die extrem tödlich war — was nur leider ebenfalls nicht stimmte —, haben nun einen neuen Aufreger gefunden: den Chemiewaffenangriff in Duma.
Er „konnte ausschließlich von“ dem von Russland unterstützten Assad-Regime „ausgeführt worden sein“ - nur, dass es auch hierfür keine Beweise gibt und darüber hinaus überhaupt keine objektiven stichhaltigen Beweise in Duma selbst existieren.
Diese beiden Ereignisse zusammen sollten die britische Bevölkerung in einen aufgeheizten Hurrapatriotismus versetzen — was bei Tony Blair und bestimmten Tories bereits gelungen ist — und dazu bringen, Syrien anzugreifen und möglicherweise einen Krieg mit Russland in Syrien vom Zaun zu brechen.
Der „russische“ Angriff in Salisbury soll das Argument „Das ist nicht unser Krieg!“ aufheben, insbesondere weil ja ein britischer Polizist eine Weile unpässlich war. Welchen Grund es nun aber dafür geben sollte, das Argument „Warum in aller Welt treten wir in eine bewaffnete Konfrontation mit einer Nuklearmacht?“ außer Kraft zu setzen, weiß ich beim besten Willen nicht.
Natürlich hat Saudi-Arabien Großbritannien, den USA und Frankreich Hilfe angeboten - will es doch das militärische Ruder zugunsten der von den Saudis finanzierten Dschihadisten rumreißen, die Assad so gut wie besiegt hatte.
Dass der Skripal-Affäre und den Ereignissen in Duma ein Jahr extrem intensiver diplomatischer Aktivitäten zwischen Saudi-Arabien, Washington, Paris und London vorausgegangen war — inklusive mehrerer hochrangiger Besuche in den Hauptstädten —, soll wohl bloßer Zufall sein.
Fragwürdiger denn je
Ich bin ebenso wenig ein Fan von Assad, wie ich ein Fan von Saddam Hussein war. Aber die Öffentlichkeit beginnt nun zu begreifen, dass Kriege mit dem Ziel, einen Regimewechsel herbeizuführen, katastrophale Folgen haben: getötete und verstümmelte Erwachsene und Kinder sowie eine zerstörte Infrastruktur.
Unsere Angriffe haben riesige Flüchtlingswellen zur Folge und führen direkt zu Terroranschlägen hier bei uns. Es gibt keinen Grund für einen militärischen Angriff auf Syrien — außer dem, die Dschihadisten beim Sturz Assads zu unterstützen.
Die Vorwände dafür entbehren auf unverantwortliche Weise handfester Beweise — mehr noch:
Je mehr Beweismaterial unter die Lupe genommen wird, desto fragwürdiger wird das Ganze.
Letztlich entsteht so eine riesige Kluft zwischen dem Narrativ der Mainstream-Medien und der höchst skeptischen Öffentlichkeit, wie man in den sozialen Medien und im Kommentarbereich der Konzernmedien sehen kann.
Militäreinsatz wäre illegal
Die Vorstellung, dass sich Großbritannien ohne Untersuchung der Beweismittel und ohne parlamentarische Abstimmung an einer Militäraktion gegen Syrien beteiligen wird, gibt wirklich Anlass zur Sorge. Ohne Genehmigung durch den Sicherheitsrat ist eine solche Aktion illegal — ganz unabhängig von den Umständen.
Hier muss angemerkt werden, dass die vielen Kommentatoren, die versuchen, Russlands Veto zu einer Syrien-Resolution als ungültig darzustellen, etwas unter den Tisch fallen lassen und zwar: das zweimalige Veto der USA mit einer zu 14 Stimmen bei den Resolutionen des Sicherheitsrates zur Verurteilung der Tötung unbewaffneter Demonstranten durch Israel in Gaza.
Die Lektion, die die Neokonservativen aus dem Irak-Krieg gelernt haben, ist nicht, dass er verheerend war. Verheerend war er nur für die toten und verstümmelten Iraker, unsere eigenen toten und verstümmelten Soldaten und jene, deren Land ins Mittelalter zurückkatapultiert wurde. Für die Neokonservativen war er ein großer Erfolg — sie machten ein Vermögen mit Waffen und Öl.
Die Lektion, die die Neokonservativen gelernt haben ist, der Öffentlichkeit im Westen keine Zeit zu geben, Widerstand aufzubauen und zu organisieren. So war die Zerstörung Libyens — völlig fälschlicherweise — mit dem Narrativ begründet worden, dass „wir nur 48 Stunden haben, um ein Massaker an der Bevölkerung Benghasis zu verhindern.“
Und ganz ähnlich führt auch diese inszenierte „Krise“ in rasendem Tempo in Richtung Militäraktion, wenn die vier apokalyptischen Reiter erscheinen und auf ihrem Weg Vernunft und Gerechtigkeit niedermähen.
Craig Murray ist Autor und Menschenrechtsaktivist. Er war von 2002 bis 2004 britischer Botschafter in Usbekistan und von 2007 bis 2010 Rektor der Universität Dundee.
Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst unter dem Titel „The Four Horsemen Gallop by". Er wurde vom ehrenamtlichen Rubikon-Übersetzungsteam übersetzt.