Bedenkliches Gedenken
Bei Feierlichkeiten zu Ehren des verstorbenen Peter Sodann trieben Kriegstüchtige Schindluder mit seinem Lebenswerk.
„Über Tote sollte man nur Gutes sagen“, sagt ein Sprichwort aus der lateinischen Sprache. Was aber, wenn der Verstorbene die NATO und ihre Aufrüstung gegen Russland sowie das Gendern kritisiert hat, für die Linke für das Amt des Bundespräsidenten kandidiert hat und — was strafverschärfend hinzukam — mit dem Kabarettisten Uwe Steimle befreundet war? Dann fällt eine angemessene Würdigung offiziellen Stellen schwer. Der bekannte ehemalige Tatort-Darsteller ("Kommissar Ehrlicher") und Theaterintendant Peter Sodann starb am 5. April 2024. Bei Gedenkfeierlichkeiten in Halle am 1. Juni vermieden Festredner sorgsam alles, was an der Persönlichkeit Sodanns unbequem war und was ihn wirklich ausmachte. Ehrlicher wäre es gewesen, auf eine Form der Beweihräucherung zu verzichten, die die Leistungen des Verstorbenen im Grunde verkleinerte.
Nachdem der populäre Künstler Peter Sodann öffentlich erwogen hatte, auf dem sächsischen Platz 1 für die 2005 neu gegründete Linkspartei in den Bundestag zu gehen, drohten „wohlmeinende Freunde“ bei der „Saxonia“, der Tatort-filmenden MDR-Tochterfirma, und bei den Hallenser Stadtgranden ihn mit dem Entzug der Rolle als Tatort-Kommissar Bruno Ehrlicher und seiner Theater-Intendanz. Wenige Minuten vor der gemeinsamen Pressekonferenz mit Oskar Lafontaine zog er unter diesem Druck seine Kandidatur zurück.
Die „wohlmeinenden Freunde“ schmissen ihn gleichwohl raus aus beidem. Fortan befand sich das „neue theater“ bezüglich Zuschauerzahlen und künstlerischer Bedeutung im Sinkflug. Woran die Stadt mit ständigen Mittelkürzungen ihren Anteil hatte. Bald darauf gab es für Sodann überhaupt keine Rolle mehr. Als Trostpflaster machte ihn „die Stadt“ zum Ehrenbürger von Halle. Und als solche durfte eben diese ehrenwerte Gesellschaft „wohlmeinender Freunde“ am 1. Juni alleiniger Ausrichter der Gedenkfeier sein. Im von Sodann eigenhändig aufgebauten „neuen theater“, wo sie ihn „vor die Tür gesetzt hatten“, so Sodann.
Nun galt es, von der Sodann-Feier alle von ihm streitbar vertretenen Positionen wegzublenden: zur NATO, zu Arbeiter- und Bauernprotesten, zur Aufrüstung gegen Russland, zu Gaza, zum Gendern, zu Wagenknecht und zu Meinungsdrosselungen.
Dafür setzten sie seinem Nachfolgeintendanten, der mit dem „Putinfreund Sodann“ zu dessen Lebzeiten auf keine Bühne mehr gehen wollte, den Hut auf: Matthias Brenner, der für die Einhaltung der Zensurvorgaben endlich aus dem Fußnoten-Gewusel glanzloser TV-Nebenrollen heraus das Sodann-Gedenken zu seinen persönlichen Festspielen ummünzen durfte.
Erst recht, seit Deutschland kriegstüchtig wird, wirkt der BND mit seinen über 6.000 bestbezahlten Agenten, von Hitlers Spionagechef Gehlen 1956 im Joint Venture mit der CIA geschaffen, bis in die kleinste Kulturpore gegen alles, was sich irgendwie kommunistisch anfühlt. Besonders, wenn eine Gedenkfeier vom MDR live übertragen werden soll. Der, über den Theaterkollegen munkeln, er sei, so ein badischer Intendant mit Jura-Professur, einer der glücklichen Stasi-Zulieferer, die nach der Wende bruchlos vom BND übernommen worden waren, wurde zum Maitre de Plaisir.
Verpflegung für die zur Mittagszeit geladenen Gäste hatte die Stadt Halle eingespart, sich weitere Kosten von der HWGmbH, die in Halle 17.500 Wohnungen kommerziell vermietet, sponsern lassen und ansonsten städtische und darum kostenarme Konzertdarbieter aufgefahren, deren Musik mit Peter Sodann so viel zu tun hatte wie Hanns Eisler mit Gigi D’Agostino.
Dazwischen durfte sich Brenner — gewaltig mit den Augen rollend, theatralisch armrudernd, mal flüsternd, mal anlasslos brüllend — als Sprechblasenfacharbeiter und schwatzhafter Verschweiger inszenieren. Vom Metier des notorischen Falschspielers wechselte er kurz ins Falschsingen und trällerte ein Liedlein. Mit einem Wort: Manege frei für Charakter- und Talentlosigkeit, MDR live übertragen.
Dort wurde Peter Sodann als DDR-Staatsfeind aufgeführt, obwohl ihm ebendiese DDR nach seiner Haft die Theater-Intendanz übergeben hatte. Was ebenso beiseite gelassen wurde, wie sein Lieblingssatz:
„Ich will die DDR nicht zurück, ich will mir die DDR aber auch nicht nehmen lassen.“
Die Theater-Geschäftsführerin Uta van den Broek gestand wenigstens gleich ein, Peter Sodann nie persönlich begegnet zu sein. Nicht ohne dann seinen Geist um ihren Schreibtisch schwebend zu beschwören. Während CDU-Staatssekretär Sebastian Putz, auch ohne ihn zu kennen, den dialektischen Materialisten Peter Sodann zum Gegner des Materialismus ernannte.
Kurzum: Peter Sodann wurde bei seiner Gedenkfeier ein zweites Mal aus seinem Theater geworfen.
Kein Sterbenswort zu Sodanns alljährlichen Maikundgebungen, seinem vielfältigen Engagement, den 8. Mai zum Feiertag zu machen — gemeinsam mit Rolf Hochhuth, Daniela Dahn, Konstantin Wecker und anderen —, zu seiner monatelang ausverkauften Theater-Tournee „Heimatabend“ mit Norbert Blüm und Michael Letz, seiner lyrischen Friedensappelle auf RTL-Radio „Sodann zum Abend“, die von ihm gesprochenen Hörbücher, etwa mit Konstantin Wecker zum Roman „Bella Ciao“, zu seiner Rede vor 500.000 Menschen gegen den Irakkrieg gemeinsam mit Reinhard Mey am Brandenburger Tor, seinen vielen anderen Kundgebungen gegen die NATO, seiner letzten Rolle als HJ Abs in meinem gleichnamigen Stück bei den „Freidenkern“ im Frankfurter Saal der Auschwitzprozesse, seinen Protest gegen rechtsstaatswidrige Behandlung von AfD-Politikern, seiner Freundschaft mit Unbotmäßigen wie dem vom MDR abgeschossenen Kabarettisten Uwe Steimle, der sich kürzlich in Halle gegen eine „Antifa“-titulierte Meute einen ausverkauften Auftritt erkämpfen musste.
Auf den Werbeträgern der vom MDR ausgestrahlten traurigen Feier wurde nicht mal auf einer Einladung oder Eintrittskarte ein Spendenaufruf oder eine Kontonummer für Sodanns Spätlebenswerk, die Bibliothek fast verbrannter DDR-Bücher, kundgetan. So wurde es ein paramilitärisch durchgestylter Event für einen Antimilitaristen.