Auf unsichtbaren Pfaden
In der Poetik-Ecke XXXI wird das Spirituelle zum kunstvollen Kraftort.
Diese Ausgabe der Poetik-Ecke ist ein lichter, filigraner Wurf ins Offene, ein Plädoyer fürs Leben, für dessen Geheimnisse und Zwischenräume und vor allem: für die Schönheit abseits des Glanzes. Uta und Joachim Galuska formen Seelengedichte und sie formen gleichzeitig Kraftorte. Haben wir die nicht nötig in diesen Zeiten? Und doch ist es Kunst. Das macht die Freiheit dieser Texte aus, und genau das überträgt sich auch beim Lesen. Von Politik ist — Gott sei Dank — diesmal fast nicht die Rede. Genau genommen aber sind diese Gedichte politisch wie nichts anderes. Ein bisschen wie bei Novalis.
Offen
Offen wie ein Blatt am Baum
Verbunden mit den Elementen
innen und außen
Ich nehme alles auf
Ich schwebe
Es verwandelt sich
Ich tanze
und strahle in neuen Farben
Und in der Sichtbarkeit
erfahre ich mich
wieder und wieder
offen schwebend
(von Joachim Galuska)
Wenn Illusionen platzen,
Identifizierungen sich auflösen,
Konstruktionen zerfallen,
und das, was scheinbar bleibt, verklingt,
bin ich nackt
ohne mich
Windhauch weht
Licht flutet
die Offenheit
Sie kleidet mich nicht
und gibt mir keinen Halt
und keinen Sinn,
aber grenzenlose Freiheit
und einen Hauch von Schönheit.
(von Joachim Galuska)
Das Leben selbst ist der Sinn,
aber wir können ihn nicht wissen.
Er ist mitten im Leben,
aber wir können ihn nicht finden.
Vielleicht findet er uns,
wenn wir uns ergeben ins Leben,
wenn wir Frieden finden in unseren Herzen
und wenn wir sterben — ins Leben.
(von Joachim Galuska)
Sphären der Zeit
technogefurcht
wir schreiten in Kerben der Erde
Furchtgefüllt die Furchen
wer wagt ursprüngliche Tiefen?
Hindurchgemutet
hinter Tränentälern
zu atmendem Herzen
wer schreitet tiefberührt?
Du Erdeinklang,
du Lächelnliebe,
du Lebendigleben,
beseelt begegnen wir uns.
(von Uta Galuska)
Immer ist etwas Anderes
Immer hab ich etwas vor
Immer bin ich beschäftigt
Immer finde ich keine Ruhe
Immer passiert etwas
Immer will jemand etwas von mir
Immer werde ich gestört
Immer fühle ich mich nicht recht lebendig
Immer zweifle ich
Immer komme ich nicht recht weiter
Nicht immer, nicht immer
Nicht jetzt gerade
Jetzt lebe ich
(von Joachim Galuska)
Widerstand
Ich bin defensiv,
manchmal hart, sodass es abprallt,
manchmal geschmeidig, sodass ich es zurückwerfe.
Manchmal haut es mich um.
Ich stehe dann auf
und bin empört
und schlage zurück
und kämpfe.
Ich versuche, mich auszuruhen
und inne zu halten
und zu beobachten
und nachzudenken.
Und manchmal kann ich lachen,
über die Welt
und über mich
und lächle — zu Dir
(von Joachim Galuska)
In lichter Tiefe
finde ich mich
nach dunklem Geworfensein.
Ich finde mich
gehalten, geborgen, geliebt
in lichter Tiefe
deiner Seele.
(von Uta Galuska)
Tropfen an unsichtbarem Pfad,
wirst mir jetzt Bote sein und Medium
statt des Medienkraken.
In deinem Spiegellicht
werde ich sonnig sein
und in deiner Vergrößerung
Naturgeäder finden wie Wege,
geboren aus Wurzelströmen.
In deiner Kühle
werde ich erfrischt sein
und in deiner Verbundenheit
Einzigartiges finden wie Schönheit,
entfaltet im Berühren.
Tropfen, ich erkenne dich.
Bist auch Blume am Tor meines Tagerwachens
und Muschel auf meinem Gezeitengrund,
bist auch Sonnenstern auf sanfter Strömung
und Leuchten in den Augen, die mich so lieben.
Und ich erkenne mich
auf dem unsichtbaren Pfad meines eigenen Herzens.
(von Uta Galuska)
Und wenn ich durch die Tore gehe,
verliere ich mich selbst.
Tore ziehen vorbei
Leere breitet sich aus
ein Zwischenraum
oder ein Fließen
und mitten drin ich selbst.
Wer bin ich?
Die Tore, die Leere, der Raum, das Fließen?
Wer war ich?
Wer werde ich sein?
Ich weiß es nicht.
(von Joachim Galuska)
Krieg ist nur anderswo?
Kalt weht der Atem
durch mein dünnes Kleid,
Propaganda will
meinen Frieden brechen.
Haut und Widerstand,
es fröstelt mich.
Durch jede Pore
reicht meine Lebendigsprache:
Liebe.
Und mein Frieden ist
weltverbunden.
(von Uta Galuska)
Wer weiß schon,
wann das Zwischen beginnt,
das sich abnabelt vom Woher
und eintritt ins Leben.
Wer weiß schon,
was geschieht im Übergang,
im Inmitten des Nichtmehr und Nochnicht.
Geburt ist ein Prozess.
Geborenwerden ist ein Prozess.
Sich selbst gebären ist ein Prozess.
Dieses Vorwärts ist erfahrbar
im tiefen Strömen der Lebendigkeit.
Ich bin Flussbett und Strom zugleich,
ich bin eingebettet und ströme
als Ausdruck der Evolution mit.
Übergänge, Membrane, Leere
von Nichtmehr und Nochnicht,
im Zwischen von allem
liegt ein wesentliches Geheimnis.
Im Zwischen ist wie vor dem Quell
des Schöpferischen.
Im Zwischen ist alles verbunden.
Ich spiele darin.
Ich bin die Unsichtbarkeit darin
und doch ganz Erscheinung.
Und hier, in genau diesem Zwischen,
fühle ich mich vertraut,
finde ich jene Beseeltheit,
die sich an die Dinge legt,
sobald ich sie berühre,
und erfahre ich durch dieses beseelte Verbundensein
die unendliche und ewige Offenheit
für Danken und Lieben.
(von Uta Galuska)