Auf der abschüssigen Bahn
Wir steuern auf eine Gesellschaft zu, in der Nicht-Geimpften nur noch eine reduzierte Menschenwürde zuerkannt werden wird.
„Dabei sein ist alles“, pflegt der Deutsche zu sagen. Wenn das zutrifft, dann ist „alles“ derzeit gefährdet. Denn wer dabei sein darf und wer nicht, das soll zukünftig der Impfstatus einer Person bestimmen. So schwebt es etwa dem Chef eines der größten Ticketvertreiber, CTS Eventim, vor. Wer eine entsprechende Impfung nicht vorweisen könne, müsse dann wohl von draußen aus dem Konzert lauschen. Derweil hört man erleichtertes Aufatmen in der Politik wegen dieses Vorstoßes aus der Privatwirtschaft. Nun muss man sich nicht selber die Finger schmutzig machen und kann darauf verweisen, private Akteure würden Zugänge zu Kunst und Kultur an die Impfung koppeln und nicht der Gesetzgeber. Sträflich ignoriert wird dabei, dass derartige Diskriminierungen grob verfassungswidrig und menschenverachtend sind.
„Sicherheit!” kreischt es allenthalben. Die Stunde der Feigheit schlägt, die Stunde zugleich der Kriecher, der Speichellecker, der Betroffenheitsfetischisten. Diese Stunde schlägt längst auch nicht mehr nur solchen Kreaturen in Politik und Medien, sie schlägt auch denen in Wirtschaft, Vereinen, Verbänden, Verwaltungen. Ein psychischer Spasmus scheint mit dem Corona-Wahn in unregelmäßigen Intervallen aufzutreten, mit der Kontraktion entfährt dem Betroffenen ein Schrei. Und je näher der Krampfende an den Medien ist, umso mehr wird er vernommen.
Die mediale Erregung gilt sofort dem Schmerz des Betroffenen, der Schrei erfordert uneingeschränktes Aufmerken, jeder Profifußballer sammelt in menschenbefreiten Stadien diese wundersame Erfahrung mit jedem neuen Spiel. Den Amateurfußballern und -sportlern bleibt diese Erfahrung durch politische Willkür erspart, sie dürfen bestenfalls am Lernprozess der Profikollegen teilhaben. Was im millionenschweren Fußball gelingt, das sollte doch auch in anderen Bereichen funktionieren.
Diese Stunde der Feigheit nennen natürlich die Feigen eine „Chance“. Wir retten das Klima, wir schützen die Natur? Welch Hybris! Wir retten die Welt nun gar vor einem Virus, das sich nun obendrein erdreistet zu mutieren.
So macht der Eintrittskarten- oder Veranstaltungsdienstleister Eventim aktuell von sich reden, einerseits mit der Vergabe von Impfterminen für die sogenannte „Corona-Schutzimpfung“, andererseits besinnt man sich noch auf die ursprüngliche Geschäftsidee und möchte Karten für Veranstaltungen unter die Leute bringen. Veranstaltungen freilich sind gegenwärtig verboten, schließlich ist diese deutsche Bundesrepublik ein freies Land.
Keinesfalls Wunder nimmt es somit, wenn der Eventim-Chef Klaus-Peter Schulenberg fordert: „Wenn es genug Impfstoff gibt und sich jeder impfen lassen kann, dann sollten privatwirtschaftliche Veranstalter auch die Möglichkeit haben, eine Impfung zur Zugangsvoraussetzung für Veranstaltungen zu machen.“ Die börsennotierte CTS Eventim gehört in Deutschland zu den Branchenführern in den Bereichen „Ticketing und Live Entertainment“, da gehört das Aufspringen auf Trends zum guten Ton, man wird nicht „einfach so“ zum führenden Unternehmen.
Neue Geschäftsfelder
Not macht erfinderisch, weiß der Volksmund lange schon. Somit ist nichts einzuwenden, wenn Unternehmer sich neue Betätigungsfelder suchen. Mancher Beigeschmack löst allerdings gewisse sensorische Reize aus — nicht alle davon sind erfreulich. „Für uns ist es wichtig, als Unternehmen einen Beitrag zu leisten, dass wir alle aus dieser Krise baldmöglichst wieder herauskommen. Zugleich entwickeln wir uns auch unter schwierigen Bedingungen weiter und suchen dabei nach Marktchancen. Die Organisation von Impfterminen ist so eine Chance", wird Alexander Ruoff, Chief Operating Officer von Eventim, vom NDR zitiert.
Das Land Schleswig-Holstein sah ebenfalls eine Chance, und so beauftragte das Gesundheitsministerium mit der Terminvergabe für die „Schutzimpfung“ den Dienstleister Eventim. „Innerhalb von einer Minute waren mehr als 4.000 Termine in Warenkörben reserviert. In der Spitze des Anmeldeverfahrens gab es laut Eventim bis zu 3.225 Klicks pro Sekunde“, teilt der NDR noch mit, benennt jedoch nicht, ob das Gesundheitsministerium oder der Dienstleister die frohe Botschaft tätigte.
Natürlich bleibt ebenfalls offen, wie viele Tantiemen das Bundesland Schleswig-Holstein für den Service berappen muss. „Die Kosten seien ‚abhängig von der Inanspruchnahme, also dem Anrufaufkommen sowie der Anzahl der Online-Buchungen‘, heißt es dazu nur“, — auch hier bleibt der Urheber der Aussage im Dunkeln. Mit den Zahlen ist man bei Eventim ohnehin zurückhaltend. Die ausgerufene Corona-Pandemie erzwang den zahllosen Ausfall von Veranstaltungen oder deren Verlegung. Wer Tickets für einen bestimmten Termin gekauft hatte, musste, nach damaliger Rechtslage, den Ersatztermin nicht akzeptieren und konnte bis zum 20. Mai 2020 bereits vorab gezahltes Geld zurückverlangen. Seitdem gilt allerdings in Deutschland ein Gutscheinzwang. Kunden, die Ersatztermine nicht wahrnehmen können und Tickets vor dem 8. März 2020 gekauft hatten, müssen fortan Gutscheine annehmen, wenn der Anbieter die Rückerstattung des Ticketpreises verweigert.
Die Verbraucherzentralen in Deutschland haben sich vehement gegen diese Benachteiligung eingesetzt — die Bemühungen liefen ins Leere. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen informiert(e): „Der große Ticketvermittler CTS Eventim AG & Co KGaA hat schon vor dem neuen Gesetz die Rückerstattung von Geld oder die Ausgabe von Gutscheinen verweigert. Begründung: die Tickets seien weiterhin für das verlegte Event gültig. Weil dieses Vorgehen gegen geltendes Recht verstößt, gab es eine Abmahnung der Verbraucherzentrale NRW.“ Weiter heißt es bei der Verbraucherzentrale: „Eine Antwort kam, jedoch ohne Unterlassungserklärung. Eventim schickte den Kunden weiterhin Standardantworten und verwies auf die bleibende Gültigkeit der Tickets für neue Termine. Daraufhin haben wir Klage beim Landgericht München I erhoben.“
Zum Geschäftsgebaren liest man in einem Bericht des SWR vom 3. Juli 2020: „Bei zwei Udo Lindenberg-Konzerten im Saarland sind es um die zehn Prozent des Ticketpreises, die Eventim für sich selbst veranschlagt (…) Eventim macht in diesen Fällen Vorverkaufsgebühren oder Kosten für Abwicklung, Technik, Logistik oder Ähnliches geltend.“ Eventim sieht sich im Recht, ist man letztlich ja nicht selbst der Veranstalter des jeweiligen Events, sondern lediglich dessen Vermittler oder Kommissionär der Eintrittskarten — wir „entwickeln (…) uns auch unter schwierigen Bedingungen weiter“. Die juristische Schwebe dauert bislang fort.
Vielleicht könnte Eventim aber doch seinen Kunden generös entgegenkommen, denn es gibt „Marktchancen“ zuhauf und zum guten Ende winkten Gewinne? Termine für den Kirchenaustritt — so die „Chance“. Das Erzbistum Köln ist da in großer Not, titelt die Zeit doch soeben: „Termine für Kirchenaustritte in Köln komplett ausgebucht.“ Köln steht da sicher nicht allein für das Geschäftsmodell „Termine für den Kirchenaustritt“, denn den vormaligen Großkirchen laufen die Mitglieder in Scharen davon, ein paar Millionen Kunden somit für Eventim.
Nun also noch die „Impfung als Zugangsvoraussetzung“. Mit Stand vom 31. Januar 2021 sind der Europäischen Arzneimittel-Agentur 26.849 adverse, das heißt nachteilige Impfeffekte der BioNTech/Pfizer Corona-Impfung gemeldet worden. Klaus-Peter Schulenberg erklärt trotzdem frank und frei gegenüber der WirtschaftsWoche: „Aber wenn man sieht, wie nun weltweit ohne relevante Nebenwirkungen geimpft wird, dann ist zu hoffen, dass diese Skepsis auch bald schwinden wird.“ Die Impfung ist für den Vorstandsvorsitzenden Schulenberg somit eine Bagatelle, wenngleich er noch Verständnis für Menschen ausdrückt, die hinsichtlich der Impfung Bedenken hegen.
„Ein Schreckgespenst für die Corona-Impfung“ machte jedoch bereits im September des letzten Jahres der Leiter des Ressorts Natur und Wissenschaft der Frankfurter Allgemeinen Zeitung aus, als er schrieb:
„Es geht um die Möglichkeit einer sogenannten Antikörper-abhängigen Verstärkung, abgekürzt: ADE (Antibody Dependant Enhancement) — gewissermaßen der immunologische Erdrutsch. (...) Es handelt sich um eine Reaktion des Immunsystems, die praktisch unvorhersehbar bei einigen Infektionen auftreten kann, aber eben auch durch die stark abgemilderten, künstlichen Entzündungsprozesse, die eine Impfung nun einmal auslöst. (...) Der Grund ist, dass ADE selbst aus der Immunreaktion des Körpers auf den Erreger — oder eben auf den Impfstoff — resultiert. Die von B-Immunzellen gebildeten Antikörper, die normalerweise das Virus attackieren sollen, tun genau das Gegenteil. Sie erleichtern dem Virus den Eintritt in die menschlichen Zellen und beschleunigen damit die Vermehrung des Krankheitserregers. ADE verschlimmert die Krankheit statt sie zu lindern.“
Entschließung des Europäischen Rats nicht rechtsverbindlich
Sollte die Aufklärung der Veranstaltungsbesucher, der Bevölkerung überhaupt, wie auch der zu Impfenden demnach nicht auch dieses Risiko umfassen? Eine Bagatelle auch hier nur? Immerhin verlangt selbst der Europäische Rat in einer seiner jüngsten Entschließung, der Resolution 2361 vom 27. Januar 2021: die COVID-19-Impfungen hätten nicht nur freiwillig zu sein und nicht Geimpfte dürfen nicht diskriminiert werden — siehe Punkte 7.3.1 und 7.3.2 — wird auch verlangt, dass nicht allein zu impfende Personen „transparente Informationen über die Sicherheit und mögliche Nebenwirkungen von Impfstoffen“ erhalten müssen — Punkt 7.3.4. Diese Informationen sind überhaupt Grundlage jeder Impfeinwilligung. Ein nicht unbedeutendes Manko besteht jedoch:
„Entschließungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarats beinhalten Meinungsäußerungen der Versammlung mit empfehlendem, nicht aber rechtsverbindlichem Charakter. Den Mitgliedstaaten des Europarats steht es demnach frei, die Entschließungen der Versammlung (nur) zur Kenntnis zu nehmen oder ins nationale Recht umzusetzen; eine Pflicht dazu besteht nicht.“
Unverhohlene, noch leicht verbrämte Freude dann bei einer Dame, die einer in Resten noch zuckenden Partei angehört und als derzeitige Bundesjustizministerin figuriert. Denn ein solcher Vorstoß aus der Privatwirtschaft spielt natürlich der Politik in die Hände, kann selbige dann in der bekannten Unschuld waschen und vermerken, die Idee „Impfung als Zulassung für …“ käme doch aus der Mitte der Gesellschaft. Fragte nicht Pilatus sehr zurecht: Was ist Wahrheit?
Christine Lambrecht jedenfalls führt aus: „Juristen sprechen hier vom Grundsatz der Privatautonomie. Wenn zum Beispiel die Restaurants wieder öffnen dürfen und ein Restaurantinhaber dann ein Angebot nur für Geimpfte machen möchte, wird man ihm dies nach geltender Rechtslage schwerlich untersagen können.“
Hat diese Dame ihren Amtseid tatsächlich auf das Grundgesetz abgelegt?, ist spätestens an dieser Stelle zu fragen.
Zu fragen aber ist mindestens, was es einen wirtschaftlich „Privaten“ überhaupt angeht, wie es um die Gesundheit seines Geschäftspartners, Gastes, Kunden et cetera bestellt ist? Vielleicht sind die Aussagen des Freiburger Staatsrechtlers Dietrich Murswiek recht erhellend, die er zur angedrohten Impflicht beim Pflegepersonal macht, denn sie sind allgemeingültig:
„Eine Impfpflicht für das Pflegepersonal ist verfassungsrechtlich völlig ausgeschlossen, solange nicht feststeht, dass die SARS-CoV-2-Impfung die Übertragung des Virus auf andere Menschen verhindert. Nach dem bisherigen Stand der Erkenntnisse schützt die Impfung zwar vor Erkrankung an Covid-19; ob sie auch die Infektiosität der geimpften Personen verhindert, weiß man aber nicht.
Die Zwangsimpfung verletzt das Grundrecht der Betroffenen auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG). Der Eingriff in dieses Grundrecht lässt sich nicht rechtfertigen, weil er nicht geeignet ist, andere Menschen zu schützen. Er lässt sich auch nicht damit rechtfertigen, dass das Pflegepersonal selbst geschützt wird. Denn der Staat darf niemanden zwingen, sich selbst zu schützen, zumal im Falle der SARS-CoV-2-Impfung das Risiko langfristiger Nebenwirkungen nicht bekannt ist. Jeder Mensch muss daher frei entscheiden können, ob er sich zum Schutz vor Covid-19 mit einem Impfstoff impfen lassen will, dessen Nebenwirkungen im stark verkürzten Zulassungsverfahren nicht so umfassend geprüft worden sind, wie dies bei Impfstoffen im Regelfall gemacht wird.
Die Zwangsimpfung des Pflegepersonals lässt sich auch nicht mit dem Argument rechtfertigen, dass die in Krankenhäusern und anderen Pflegeeinrichtungen tätigen Personen dringend zur Versorgung der Kranken benötigt werden und dass die Zwangsimpfung dazu diene, krankheitsbedingte Ausfälle von Pflegepersonen zu verhindern. Diese Begründung degradiert die Pflegepersonen unter Missachtung ihres Rechts, über den eigenen Körper selbst zu bestimmten, zum Instrument öffentlicher Zwecke. Das ist mit der Menschenwürde der Betroffenen unvereinbar.“
Mag Klaus-Peter Schulenberg seine „Angebote“ seinem sehr persönlichen Umfeld unterbreiten, denn „(e)s macht einen großen Unterschied, ob der Staat Grundrechte einschränken muss oder ob Private Angebote für bestimmte Personengruppen machen möchten“ (Lambrecht) und somit Zugang zu seinen privaten Feiern nur den geimpften Verwandten und Freunden ermöglichen.
Für die deutsche Gesellschaft jedenfalls gilt das Grundgesetz und mit ihm der Artikel 1: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“!
Denken wir auch daran — die Natur verfügt über keine Moral, weder ist sie gut noch böse. Zügeln wir unseren Wahn und unsere Anmaßungen, wir könnten die Natur schützen. Könnte sie, sie würde lachen (...) es wäre ein sehr lautes und wohl schauderhaftes Lachen.