Asoziale Netzwerke

Brauchen wir Alternativen zu Facebook, Twitter und YouTube?

Beim sozialen Netzwerk Yahoo gab es 2013 einen großen Datendiebstahl. Wie sich jetzt herausstellte, betraf der Diebstahl wesentlich mehr Nutzer als bisher bekannt: zirka drei Milliarden sind betroffen. Sind Ihre Daten mit dabei? Zu den betroffenen Datensätzen gehören E-Mailadressen, Namen, Geburtsdaten und schlecht gesicherte Passwörter. Yahoo ist ein anschauliches Beispiel dafür, dass theoretisch alle Nutzerdaten, die wir bewusst oder unbewusst auf den vielen Plattformen hinterlassen, auch in die falschen Hände kommen können.

Wie ist ein so großer Diebstahl möglich? Der Grund dafür ist, dass alle großen sozialen Netzwerke wie Facebook, Twitter, Flickr und YouTube zentrale Netzwerke sind. Ihre Struktur kann man sich so vorstellen:

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Die Grafik veranschaulicht, dass alle Nutzer auf einem zentralen Server, bestehend aus einer Vielzahl von Rechnern, angemeldet sind. Dort sichern die Nutzer auf ihren Accounts ihre Daten, oder wickeln andere Aktivitäten ab.

Dass der Anbieter des sozialen Netzwerkes nur einen zentralen Server verwendet, hat seinen Grund im Geschäftsmodell des Anbieters. Das Geschäftsmodell dieser Netzwerke ist nicht , dem Nutzer Funktionalität zur Verfügung zu stellen. Das Geschäftsmodell ist vielmehr, aus den Aktivitäten der Nutzer und den von ihnen auf den Server geladenen Inhalten möglichst viele Daten abzuleiten und diese Daten, insbesondere für personalisierte Werbung , zu verkaufen. Der Nutzer bezahlt mit seinen persönlichen Daten, aus den Daten werden Waren. Dass das Geschäftsmodell erfolgreich sein kann, belegen die Gewinne von Facebook oder google ; twitter tut sich da noch etwas schwer. Das Geschäftsmodell funktioniert am mit dem geringsten Aufwand mit einer zentralisierten Struktur, die allerdings den Nachteil hat, ein sehr attraktives Ziel für Angriffe oder Überwachung zu sein. Es ist also nicht überraschend, dass immer wieder Millionen von Daten aus diesen zentralisierten Strukturen abgegriffen werden. Ein weiterer Nachteil ist, dass nur der Betreiber darüber entscheidet, ob das Angebot fortgesetzt wird. Bringt es oder eine seiner Teilfunktionen nicht den erwarteten Gewinn, kann das Angebot (ohne Vorwarnung) eingestellt werden. Die Daten der Nutzer sind in der Regel verloren.

Ein soziales Netzwerk ist umso attraktiver und erfolgreicher, je mehr Nutzer es hat. Je größer das Netzwerk ist, desto schwieriger oder unangenehmer wird es für den Nutzer, das Netzwerk zu verlassen: „Alle meine Freunde und Bekannte sind doch dort!“. Beispiele belegen allerdings, dass man sich nicht darauf verlassen sollte. Spricht noch jemand von MySpace, SchülerVZ oder StudiVZ? Der nächste Hype kann dazu führen, dass das genutzte soziale Netzwerk in kurzer Zeit zusammenbricht .

Brauchen wir also Alternativen zu Facebook und Co.? Ja , wenn wir die umfassende Sammlung von Daten, Werbung und die Einfallstore für Überwachung und Cyber-Angriffe loswerden wollen.

Verteilte bzw. dezentrale soziale Netzwerke können eine Alternative sein. Die Struktur verteilter sozialer Netzwerke kann man sich so vorstellen:

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Wie die Grafik zeigt, bestehen dezentrale soziale Netze aus einem Netz miteinander verbundener Server, auf denen jeweils eine unterschiedliche Anzahl von Nutzern angemeldet ist. Die Server werden meist von engagierten Einzelpersonen betrieben.

Die Software, mit der diese Server betrieben werden, ist in der Regel freie Software. Jeder kann sie nutzen und einen eigenen Server betreiben oder aufsetzen, wie es im Fachjargon heißt. Die Software kann, wie bei freier Software üblich, von einer Gemeinschaft weiterentwickelt werden, die Prüfung, ob die Software auch nur die Funktionen ausführt, die angegeben werden, ist jederzeit möglich. Die Server sind in der Regel über mehrere Staaten verteilt, so dass man wählen kann, in welchem Rechtsraum man sich bewegen will. Das Alles gibt es bei den zentralen sozialen Netzwerken nicht.

Der Lohn der Betreiber wird selten finanziell aufgewogen, da die ideelle Motivation ausschlaggebend ist. Der Betreiber möchte die Meinungsfreiheit und Selbstbestimmung, ein freies Internet, und ähnliches fördern

Der entscheidende Punkt ist, dass die Server miteinander vernetzt sind und die Daten der Nutzer untereinander abgeglichen werden. Man kann wie bei Facebook Nutzer also über das ganze Netzwerk suchen und ihren Aktivitäten folgen. Man könnte aber auch einen Server einrichten, zu dem beispielsweise nur die Mitglieder eines Vereins Zugang haben und der in kein Netzwerk eingebunden ist. Schulen könnten das beispielsweise für ihre Schülerinnen und Schüler, Eltern und das Kollegium machen. Zugang hat nur, wer mit der Schule verbunden ist.

Der Abgleich zwischen den Servern ist allerdings eine sehr anspruchsvolle Programmieraufgabe, weshalb es nicht überraschend ist, dass noch mehr oder minder große Schwierigkeiten auftreten. Gegenwärtig ist man im Rahmen des W3C, des Gremiums also, welches das Internet weiterentwickelt , dabei, einen Standard für diese Funktionalität zu entwickeln, der dann auch den Austausch über verschiedene Netzwerke ermöglich en soll.

Worin liegen die Vorteile der Nutzer? Das verteilte Netzwerk gibt keinen zentralen Angriffspunkt für Überwachung und Datenabgriff. Der Nutzer behält die Hoheit über seine Daten, da die jeweiligen Betreiber sich meist keine Nutzungsrechte an den Daten einräumen lassen, und weil er diese vom Server herunterladen kann, wenn er zum Beispiel den Server verlassen, auf einen anderen Server oder in ein anderes Netzwerk umziehen will, oder der Server seinen Dienst einstellt. Der Nutzer kann also selbst bestimmen, wie und wo er ein soziales Netzwerk nutzen will. Werbung ist fast immer tabu.

Beispiele für verteilte, dezentrale soziale Netzwerke

Oftmals gibt es mehrere Angebote, welche die gleiche oder eine ähnliche Funktion erfüllen. Die Auswahl sagt deshalb nichts über die Bedeutung und ist eher zufällig.

Wer eine Alternative zu Facebook sucht, ist bei diaspora richtig. diaspora ist in den letzten Jahren ständig weiterentwickelt worden und gereift, insbesondere in die Funktion zum Abgleich zwischen den Servern wurde viel Arbeit gesteckt. Auf der Seite https://diasporafoundation.org/
finden sich Informationen zum Anliegen, zur Anwendung und zur Anmeldung. Warum nicht mal den „Facebook-Freunden“ mitteilen, dass man gewechselt hat. Man kann übrigens Beiträge auf diaspora auch auf Facebook veröffentlichen. Umgekehrt geht das selbstverständlich nicht. Es gibt übrigens eine gut funktionierende Android-App.

Eine Alternative zu Twitter ist GNUsocial. Unter https://gnu.io/social/try/servers.html findet sich eine Auswahl an vorhandenen GNUsocial-Servern. Man kann auch hier wählen. Die Android-App ist, wie oben, empfehlenswert .

Mediagoblin ist die entstehende Alternative zu YouTube oder Flickr. Bei Mediagoblin ist noch viel Programmierarbeit zu leisten, da die Funktionalität besonders komplex ist. Die Seite des Projekts ist unter https://mediagoblin.org/ zu finden, weitere Informationen unter https://mediagoblin.org/pages/tour.html. Ein Beispiel, das die vorhandene Funktionalität zeigt und das man auch schon nutzen kann, findet sich unter https://goblinrefuge.com/mediagoblin/.