Arrogante Ahnungslosigkeit

Geo-Engineering ist keine Lösung für die Probleme unserer Zeit.

Um die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels noch abzuwenden, läuft uns die Zeit davon. Die Staatengemeinschaft ist weit davon entfernt, das Notwendige zu tun, die Emissionen drastisch zu reduzieren und die Weltwirtschaft von Wachstums- und Profitlogik hin zu einer Gemeinwohlorientierung und Ökologie zu wandeln. Stattdessen werden Maßnahmen erwogen, die unter dem Schlagwort „Geo-Engineering“ zusammengefasst werden. Diese sind jedoch nur Ausdruck der menschlichem Hybris und bergen die Gefahr noch verheerenderer Nebenwirkungen als der Klimawandel selbst.

Staatenvertreter jetten von einer Klimakonferenz zur nächsten, wagen es aber nicht, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, sondern üben sich nur in warmen Worten und vagen Versprechungen. Auch die deutsche Bundesregierung verliert sich mit ihrem sich als „Klimaschutzgesetz“ anmaßenden, unambitionierten Entwurf im Klein-Klein des wirtschaftlich Opportunen. Die Uhr tickt.

Eigentlich hätte die Menschheit ihre Emissionen schon vor Jahren drastisch reduzieren müssen, um die Erwärmung des globalen Klimas zumindest auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Schon diese Erwärmung zieht katastrophale Folgen nach sich, und wir sind meilenweit davon entfernt, das Ziel überhaupt zu erreichen. Ganz im Gegenteil, beim derzeitigen Kurs steuert die Menschheit auf einen 3 bis 6 Grad Celsius wärmeren Planeten bis Ende des Jahrhunderts zu. Dabei wird eine Erwärmung um 1,5 Grad Celsius schon in den 2030ern erreicht sein. Wobei bereits in diesem Jahr die Erwärmung zumindest über den Landflächen 1,5 ° C betrug. Die Ozeane ziehen langsam nach.

Die Verzweiflung in Zivilgesellschaft und Wissenschaft ist daher verständlicherweise groß. Die Mahnungen werden hier immer eindringlicher, ein Umstand, der von liberalen und konservativen Kreisen gerne als Klima-Hysterie heruntergespielt wird. Doch wenn ein Großteil der Wissenschaft — der dank sicherer Posten und Einbindung ins herrschende System unverdächtig ist, der revolutionären Linken anzugehören — dazu rät, das weltweite Wirtschaftssystem vollkommen umzukrempeln, kann die Situation nur ernst sein.

So ist es wenig verwunderlich, dass nun Optionen in den Blick geraten, die noch vor etwas mehr als einem Jahrzehnt vollkommen abwegig erschienen. Mittlerweile wird darüber diskutiert, wie das Klima so beeinflusst werden kann, dass die Erwärmung an sich, die nur ein Symptom der Wachstumsgesellschaft und der absurden Emissionen darstellt, aufgehalten werden kann. Schon im Jahr 2011 lud die Royal Academy, die legendäre Akademie der Wissenschaften Großbritanniens, der auch namhafte Wissenschaftler wie Isaac Newton oder Charles Darwin angehörten, zu einem dreitägigen Retreat zu diesem Thema. Von ihr berichtet Naomi Klein in ihrem Buch „Die Entscheidung: Kapitalismus vs. Klima“.

Dort wurden Maßnahmen besprochen, die ergriffen werden könnten, um die Erwärmung aufzuhalten. Bezeichnenderweise ging es nicht um die Senkung der Emissionen, die Regeneration der Natur und einer Überwindung der Konsumgesellschaft, sondern um direkte Eingriffe in das Klima. Diese Idee gibt es schon seit den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts. Es wird überlegt, CO2 mithilfe von Maschinen aus der Luft zu saugen, eine Technik, die bereits verfügbar, jedoch nicht in der Lage ist, die erforderlichen Mengen aufzunehmen.

Es ist eine Technologie, an der auch namhafte Unternehmer, wie beispielsweise Richard Branson, der Vorsitzende des Virgin Konzerns, schon seit Jahren forschen lassen. Dies geschieht jedoch nicht aus reinem Altruismus. Branson erhofft sich, auf diese Weise durch das aus der Luft entfernte CO2 einen neuen, billigen Treibstoff zu erfinden, mit dem er seine umfangreiche Flugzeugflotte antreiben kann. Die Technik ist zudem um ein vielfaches klimaschädlicher als Fracking-Gas, hat also damit eher einen negativen Effekt auf das Klima.

Rettung in der Not?

Da diese Methode also nicht sinnvoll ist, konzentriert sich die Wissenschaft auf das Solar Radiance Management, kurz SRM. Die Idee ist, durch das Einbringen von beispielsweise Schwefeldioxidpartikeln in der oberen Stratosphäre die Einstrahlung der Sonne auf die Erde zu reduzieren. Angedacht ist auch, Meerwasser in die Wolken zu sprühen, um diese aufzuhellen. Dies soll mittels Flugzeugen, einem großen, an Wetterballons befestigten Schlauch oder gar mithilfe von Kanonen geschehen. Durch die sinkende Sonneneinstrahlung soll die globale Temperatur um bis zu 0,7 Grad Celsius gesenkt werden, ein Wert, der ermittelt wurde, als 1992 der Vulkan Pinatubo ausbrach und große Mengen Schwefeldioxid in die Stratosphäre ausstieß. Das entspricht jedoch nicht einmal der Erwärmung, die der Mensch seit Beginn der Industrialisierung hervorgerufen hat.

Doch das Verfahren ist nicht nur unzureichend, es birgt auch Risiken, die es vollkommen unethisch machen. Die Wirkung von Gasen in der Atmosphäre wird anhand von Computermodellen errechnet. Alle Prognosen zum Klimawandel basieren auf Simulationen, in welche die Informationen zu Wirkung und Verhaltensweise aller Stoffe in der Atmosphäre eingespeist werden.

Naheliegend ist es also, dieselben Modelle zu benutzen und nur noch die entsprechenden Mengen Schwefeldioxid in der Berechnung hinzuzufügen. Genau das haben mehrere Gruppen von Wissenschaftlern getan — mit verstörenden Ergebnissen. Zusammenfassend kann man sagen: Es besteht die Gefahr, dass die Folgen von SRM gravierender sind, als darauf zu verzichten. Es droht die Gefahr von Dürren in Afrika und Asien, der Ausfall oder die Veränderung des Sommermonsuns. Es ist mit erheblichen Niederschlagsverlusten auf der ganzen Welt zu rechnen mit der Folge, dass es zu Lebensmittelknappheiten kommt.

Die Ergebnisse der Simulationen werden von der Geschichte gestützt. So wurde nach jedem großen Vulkanausbruch der vergangenen Jahrhunderte ein signifikanter Rückgang der Niederschläge, somit also eine Zunahme an Dürren und Ernteausfällen gemessen, auch nach dem Ausbruch des Pinatubo.

Wo diese Folgen zu spüren sind, hängt davon ab, wo das Schwefeldioxid in die Stratosphäre entlassen wird. So kann eine Freisetzung auf der Nordhalbkugel dazu führen, dass auf der Südhalbkugel, insbesondere der Sahelzone, Dürren zunehmen, Ernten ausfallen und Millionen von Menschen an diesen Folgen sterben oder zur Flucht gezwungen werden. Ein Ausbringen des Schwefeldioxids auf der Südhalbkugel könnte hingegen dazu führen, dass die Dürrerisiken dort abnehmen, wohingegen die Gefahr von Dürren und Hurrikans auf der Nordhalbkugel zunehmen.

Die Frage, deren Antwort unschwer zu geben ist, würde dann also lauten: Wer betreibt wo Geo-Engineering? Oder: Ist es vorstellbar, dass, um das Klima in Europa und Amerika aushaltbar zu gestalten, tausende oder gar Millionen von Menschenleben in sogenannten Entwicklungsländern geopfert werden? Man muss sich nur die Tatenlosigkeit der westlichen Welt im Angesicht des Klimawandels ansehen, um die Frage eindeutig mit Ja zu beantworten. Nicht umsonst sprechen Vertreter afrikanischer Staaten auf den Klimakonferenzen der UNO angesichts der Tatenlosigkeit westlicher Länder bereits vom Genozid. Geo-Engineering hat das Potenzial, diesen noch zu beschleunigen.

Symptombekämpfung

Selbst wenn das nicht eintreten würde, so birgt diese Technologie noch einen anderen Nachteil. Fängt man nämlich einmal damit an, die Sonne zu verdunkeln, darf man nie wieder damit aufhören. Denn lösen sich die Partikel schließlich auf, so bricht sich die ganze, bislang reflektierte Sonnenstrahlung mit einem Mal Bahn. Die Atmosphäre würde in einer Art Schock sprunghaft einschneidende Veränderungen erleben. Ironischerweise würde zudem durch die niedrigere Sonneneinstrahlung die Leistung von Photovoltaikanlagen reduziert.

Doch auch wenn es all diese Nebenwirkungen nicht gäbe, so geht Geo-Engineering doch vollkommen an den Problemen vorbei.

Denn auch wenn die Atmosphäre gefahrlos abgekühlt werden könnte, was — man kann es nur betonen — nicht der Fall ist, dann ändert sich nichts an der immer höheren Konzentration von Treibhausgasen, die dazu führen, dass die Meere versauern und Ökosysteme sterben.

Aber auch dazu haben Verfechter des Geo-Engineerings eine Lösung: Sie wollen ganze Gebirge abtragen und das geschredderte Gestein in die Ozeane entladen, wo sie deren Übersäuerung verhindern sollen. Wie sich das Verschwinden von Gebirgen auf die Bewegungen der Luftmassen an Land auswirkt, wie dadurch die Verteilung von Regen und Wolken beeinflusst wird, all das ist ungewiss. Den zunehmenden Dürren soll durch Wolkenimpfung begegnet werden, mit ebenso unbekannten Auswirkungen auf das globale Klima. Würde diese Maschinerie einmal ins Rollen kommen, so würde es nicht beim SRM bleiben. Der Planet würde ein ganzes Sammelsurium einschneidender Veränderungen erleben und die Biosphäre endgültig kollabieren.

Das Geo-Engineering ist der Versuch einer reinen Symptombehandlung und zeigt zweierlei: Einerseits die menschliche Hybris. Es offenbart die tief in der Wissenschaft verwurzelte Idee, der Mensch könne die Natur beherrschen und nach seinem Wunsch formen. Dass dem nicht so ist, beweist nicht nur der Klimawandel, schon die Atomkatastrophen von Tschernobyl und Fukushima hätten uns eine Warnung und ein Anlass zum Umdenken sein sollen. Die Menschheit insgesamt lässt es an Demut vor der Natur vollkommen vermissen und geriert sich zu einer allmächtigen Gottheit.

Der amerikanische Farmer, Dichter und Philosoph Wendell Berry sprach von der „arroganten Ahnungslosigkeit“, die man an ihrer Bereitschaft erkenne, in großem Maßstab zu arbeiten und daher zu viel aufs Spiel zu setzen. In diesem Falle steht das gesamte Leben des Planeten Erde auf dem Spiel

Zweitens offenbart es die absolute Unfähigkeit der Menschen, sich auf die wahren Ursachen zu besinnen und diese wirkungsvoll zu beseitigen. Händeringend wird nach Möglichkeiten gesucht, am Status Quo festzuhalten, weiter zu wirtschaften, als führte uns dieser Weg nicht in den Abgrund. Für diesen Wunsch wird auch der ganze Planet aufs Spiel gesetzt.

Die wissenschaftliche Debatte zum Geo-Engineering wird von Menschen geführt, die in der Vergangenheit unverhältnismäßig hohe Quoten an Fehlschlägen zu verzeichnen hatten.

In ihr treten Personen auf wie Lowell Wood, der an einem Projekt namens StratoShield des ehemaligen Chief Technical Officers Nathan Myhrvold, Gründer von Intellectual Ventures, mitgearbeitet hat. Dieses Projekt sah vor, einen gewaltigen Spiegel in der Stratosphäre zu installieren, der die Sonneneinstrahlung reflektieren sollte. Bekannt wurde Lowell Wood durch seine abstrusen Vorschläge zu Ronald Reagans Raketenabwehrprogramm „Star Wars“, das als unverantwortlich galt. Heute ist er ein Verfechter der „Pintubo-Option“, also der Idee, Schwefeldioxide in der Stratosphäre auszubringen.

Förderung der Akzeptanz

Obwohl die Ideen riskant sind und nur die Absurdität menschlichen Handelns mit anderen Mitteln fortsetzen, wird das Tabu, das bis vor einiger Zeit über dem Thema lag, schrittweise aufgehoben. Ein Wendepunkt war wohl ein Essay des Chemienobelpreisträgers Paul Crutzen 2006, in dem er die Meinung vertrat, dass es an der Zeit sei, angesichts einer massiven globalen Erwärmung Schwefel in die Stratosphäre einzubringen. Wissenschaftliche Konferenzen kreisen mittlerweile nicht mehr um die Frage, ob es ethisch vertretbar ist, zu Geo-Engineering überhaupt zu forschen, sondern nur noch, ob und wie diese Forschungen geregelt werden.

Auch die Tagung der Royal Society 2011 zu diesem Thema war ein Schritt hin zur Normalisierung. Zudem wurde sie von großzügigen Spendern wie Bill Gates finanziert, sodass ein finanzielles Interesse nicht von der Hand zu weisen ist. Auch Intellectual Ventures verfolgt kommerzielle Interessen, und so steht zu vermuten, dass das Thema Geo-Engineering nur deshalb noch nicht auf der Müllhalde der Geschichte gelandet ist, weil interessierte Kreise, zu denen auch Wissenschaftler gehören, ein zukünftiges Geschäft wittern.

Verantwortlich dafür ist ein sich eher klein ausnehmender Kreis von Wissenschaftlern, Erfindern und deren Geldgebern, von denen viele Patente für verschiedene Methoden des Geo-Engineerings halten oder an Start-ups beteiligt sind. Diese Menschen werden eine Menge Geld verdienen, sollten ihre Techniken irgendwann zum Einsatz kommen. Dazu zählen neben Bill Gates und dem schon erwähnten Richard Branson auch Intellectual Ventures und Ken Caldeira, ein bekannter Klimawissenschaftler der Carnegie Institution for Science, der als einer der seriösesten Experten gilt und mithilfe von Computermodellen die Auswirkungen einer Verdunkelung der Sonne untersuchte.

Es verwundert nicht, dass auch die Industrie, die ihre Profite auf fossile Brennstoffe gründet, sich für Geo-Engineering einsetzt. Das American Enterprise Institute, das zu einem großen Teil aus der Erdölindustrie finanziert wird, hat über Jahre hinweg fleißig den menschengemachten Klimawandel geleugnet. Das hat diese Denkfabrik jedoch nicht davon abgehalten, 2008 eine Abteilung einzurichten, die sich mit Geo-Engineering beschäftigt. Diese Abteilung veranstaltete mehrere Konferenzen, veröffentlichte zahlreiche Berichte und entsandte auch Experten zu Kongressanhörungen, in denen sie aussagten, dass es notwendig sei, Geo-Engineering im Kampf gegen den Klimawandel als Plan A anzuerkennen. Dasselbe Institut also, das zuvor den Klimawandel geleugnet hat, propagiert nun das Geo-Engineering, um dessen dramatische Folgen abzuschwächen, was, wie wir schon gesehen haben, nicht funktioniert.

Profite der Zerstörung

Der Grund ist einfach:

Das Geo-Engineering gibt der Fossilindustrie den perfekten Vorwand, an ihrem veralteten Geschäftsmodell festzuhalten und guten Gewissens weitere Jahrzehnte Erdöl, Gas und Kohle zu fördern und zu verfeuern. Das ist auch das größte Risiko der Idee des Geo-Engineering insgesamt.

Selbst wenn die Umsetzung niemals kommen wird, so zeitigt sie schon jetzt schwere Folgen. Denn sie bedient das Vertrauen der Menschen in eine technische Lösung, die irgendwann in der Zukunft unseren Müll beseitigen wird. Dies hat aber schon im Falle des Atommülls aus der Energiegewinnung nicht funktioniert, und wenn es um alles Leben auf dem Planeten geht, sollten wir uns darauf nicht verlassen. Denn die Beruhigungspille einer wissenschaftlich-technischen Lösung irgendwann in einer noch so unbestimmten Zukunft liefert den Akteuren des Kapitalismus den Vorwand, weiterhin verantwortungslos an ihren Geschäftsmodellen und am wachstumsgetriebenen Wirtschaftssystem festzuhalten, das nur ihnen immer mehr Macht und Reichtum verschafft, während ein immer größerer Teil der Menschheit mit den zerstörerischen Folgen leben muss.

Schließlich verhindert das Geo-Engineering, dass die Verantwortlichen der zahlreichen ökologischen Zerstörungen Verantwortung für ihr Handeln übernehmen und sich den Folgen stellen müssen. Auf diese Weise werden sie auch von der Gesellschaft nicht zur Verantwortung gezogen. Denn wenn dieselben Menschen, die ihr Vermögen auf der Zerstörung gründen, sich großzügig zeigen und einen winzigen Teil ihrer Profite in die Erforschung von Maßnahmen investieren, die vielleicht irgendwann dafür sorgen könnten, die Folgen zu beseitigen, können diese Menschen ja so schlecht und verantwortungslos nicht sein. Das Geheimnis ist jedoch, dass diese Menschen sich nur ein weiteres Geschäft erhoffen, mehr Profite, die sie mit der Beseitigung ihres eigenen Mülls einfahren können.

Das ist, als würde mein Nachbar mir jahrelang seinen Müll durch das offene Fenster ins Wohnzimmer schmeißen, und anschließend noch Geld für dessen Beseitigung verlangen, die allerdings nur darin besteht, dass er ihn in meinem Wohnzimmer verbrennt. Würde irgendjemand mit gesundem Menschenverstand das für eine gute Idee halten und diesem Nachbarn bereitwillig Geld dafür geben?

Wir sollten diese Menschen zur Verantwortung ziehen und sie zur Kasse bitten, ihnen bei der Lösung für unsere Probleme jedoch keinerlei Entscheidungsgewalt überlassen und ihnen schon gar nicht ermöglich, auch noch ein Geschäft daraus zu machen. Lösungen können nur von Menschen kommen, die sich mit der Natur verbinden und nicht mit der Wachstumslogik des herrschenden Systems. Profitinteressen stehen ernsthaften Bemühungen zur Lösung ökologischer Fragen im Weg.