Anwalt auf der Anklagebank

Der Gründer des Corona-Ausschusses, der Anwalt Reiner Fuellmich, befindet sich seit Oktober 2023 in Untersuchungshaft. Der Prozess ist seit Jahresbeginn angelaufen.

Vor dem Landgericht Göttingen findet seit Anfang Januar 2024 ein Strafprozess gegen den Gründer und ehemaligen Sprecher des Corona-Untersuchungsausschusses, Rechtsanwalt Dr. Reiner Fuellmich, statt. Er wurde nach einer Anzeige wegen angeblicher Veruntreuung von Spendengeldern in Höhe von über einer Million Euro vor dem Landgericht Göttingen angeklagt. Fuellmich war am 13. Oktober 2023, ohne dass ein internationaler Haftbefehl vorlag, in Mexiko festgenommen und nach Deutschland ausgeliefert worden, wo er unverzüglich inhaftiert wurde. Seither befindet er sich in Untersuchungshaft im Hochsicherheitsgefängnis in Rosdorf bei Göttingen.

Von dort wurde er jeweils schwer bewacht in Handfesseln mit Bauchgurt zum Gericht transportiert. Sofort waren Fotos mit dem gefesselten Angeklagten in Umlauf, und in einigen Medien wurde einseitig und hämisch über Fuellmich berichtet. In der Hessischen/ Niedersächsischen Allgemeinen hieß es fälschlich: „Göttinger ‚Querdenker-Anwalt‘ Reiner Fuellmich wird die Zulassung entzogen“ — er hatte sich selber abgemeldet; die TAZ titelte „Querdenker Reiner Fuellmich — Ex-Kanzlerkandidat vor Gericht“, N-TV bezeichnete Fuellmich als „Coronaleugner“, in der Bild lautete die Titelzeile: „Dieser Angeklagte wollte Kanzler werden.“

Die Anzeige gegen Fuellmich wurde von den Rechtsanwälten Dr. Justus Hoffmann und Antonia Fischer, zwei Mitbegründer des sogenannten Corona-Ausschusses, sowie einem zur selben Sozietät gehörenden Rechtsanwalt Marcel Templin erstattet, die als Zeugen für die angeblichen Straftaten des Angeklagten auftreten. Hinzu kam als Zeugin die dritte Mitbegründerin des Corona-Ausschusses, Rechtsanwältin Viviane Fischer.

Der Corona-Ausschuss wurde Mitte 2020 von Reiner Fuellmich, Viviane Fischer, Antonia Fischer und Justus Hoffmann als Online-Video-Podcast gegründet, um die während der Coronakrise entstandenen rechtlichen Fragen mit wissenschaftlichen Experten in Live-Sitzungen zu erörtern. Beabsichtigt war, alternative Meinungen zur offiziellen Coronapolitik, die als problematisch empfunden wurde, in den öffentlichen Diskurs einzubringen. Die beteiligten Personen sollten den Grundsätzen wissenschaftlicher Evidenz verpflichtet sein und ohne persönliche, wissenschaftliche und wirtschaftliche Interessenkonflikte eine sachliche Diskussion führen.

Zu diesem Zweck wurde im August 2020 eine „Stiftung Corona-Ausschuss Vorschalt gUG“ (1) gegründet, und zwar in der Absicht, diese Gesellschaft in eine „Gemeinnützige Stiftung Corona-Ausschuss“ zu überführen, deren Eintragung sich jedoch wegen Anerkennung der Gemeinnützigkeit in die Länge zog. Die Gesellschafter Reiner Fuellmich, Viviane Fischer, Antonia Fischer und Justus Hoffmann waren zugleich Geschäftsführer mit Vertretungsvollmacht. Die Tätigkeit für den Ausschuss sollte ausdrücklich unentgeltlich erfolgen.

Nachdem zur Finanzierung der aufwendigen Arbeit zu Spenden aufgerufen worden war, gingen seit 2020 mehr als drei Millionen Euro auf die Konten der Gesellschaft ein. Den Spendern lag an der Auseinandersetzung mit den Maßnahmen während der Coronakrise und genaueren Auskünften über das Virus; viele hatten auch der Ankündigung Fuellmichs vertraut, Klagen wegen der Coronamaßnahmen anzustrengen. Die Spenden sollten für die Arbeit des Corona-Ausschusses verwendet werden.

Die Aktivitäten des Corona-Ausschusses erregten Aufsehen und stießen in „staatstragenden Kreisen“ auf vehemente Ablehnung.

Da wegen der politischen Ausrichtung Kontensperrungen zu befürchten waren, kaufte Fuellmich sicherheitshalber für etwa 1,1 Millionen Euro Gold, und er ließ sich nach Absprache mit Viviane Fischer zwei Darlehen über 200.000 und 500.000 Euro auf ein Jahr auf sein Konto überweisen. Weitere Beträge verwendete er für ausschussinterne Hilfsarbeiten in seiner Kanzlei, zum Beispiel zur Beantwortung zahlreicher Zuschriften.

Weil der von Fuellmich bestellt Buchhalter Jens Kuhn nach Ansicht von Hoffmann und A. Fischer hierzu keine hinreichenden Unterlagen zur Verfügung stellte, kam es zu Auseinandersetzungen, an denen dann auch V. Fischer beteiligt war. Fuellmich wurde vorgeworfen, unberechtigt Gelder für sich und seine Kanzlei abgezweigt zu haben und die Darlehen nicht — wie vertraglich vereinbart — zurückzahlen zu wollen. Die ursprüngliche Zielsetzung des Ausschusses schien keine Rolle mehr zu spielen; manche Spender hatten den Eindruck, dass sich jetzt die Hasardeure um die Beute stritten.

Die Kontroverse eskalierte schließlich. Hoffmann, A. Fischer und Templin warfen Fuellmich vor, sie bedroht und verleumdet zu haben. So habe er behauptet, sie würden die „Widerstandsbewegung“ gegen die Coronamaßnahmen schädigen und sich an dem Ausschuss lediglich bereichern wollen, zumal sie mit ihrer Kanzlei „pleite“ seien. Außerdem habe sich Hoffmann „wegen seiner Ethnie“ verletzt gefühlt, weil Fuellmich „totalitäre Aspekte des Maßnahmegeschehens mit der Zeit nach 1933 verglichen“ habe. Auch sei zu befürchten gewesen, dass Fuellmich, der seinerzeit Vorstand und Kanzlerkandidat der Partei „Die Basis“ gewesen sei und großes Ansehen „im Milieu der Querdenkerszene“ genossen habe, die sich „in hoher Geschwindigkeit auch aufgrund des Einwirkens des Angeschuldigten in großen Teilen zu radikalisieren begann“, über seine „bisherigen Drohungen hinaus möglicherweise zu Gewalt gegen sie aufrufen“ könnte.

An Fuellmich vorbei wurde eine Ausschuss-Sitzung einberufen, auf der man ihn für die künftige Arbeit ausschloss. Auch als Gesellschafter der Stiftung wurde er kurz darauf ausgeschlossen. Am 2. September 2022 wurde dann bei der Staatsanwaltschaft in Göttingen gegen ihn Anzeige erstattet. Die etwas wirren Anschuldigungen waren: Veruntreuung erheblicher Gelder (Untreue gemäß § 266 Strafgesetzbuch (StGB)), Unterschlagung, vollendeter Betrug, versuchter Betrug, Geldwäsche, Steuerhinterziehung, Veruntreuung von Arbeitsentgelt, schwere Erpressung, Anstiftung zu Hehlerei.

Am 17. November 2023 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen Reiner Fuellmich vor der Wirtschaftsstrafkammer beim Landgericht Göttingen wegen 18 Straftaten, von denen zur Eröffnung des Hauptverfahrens zwei Anklagepunkte zugelassen wurden: Untreue gemäß § 266 StGB hinsichtlich der Darlehen von 200.000 und 500.000 Euro. Zahlreiche Zeugen wurden von der Staatsanwaltshaft angegeben sowie Urkunden und Augenscheinsobjekte benannt.

Das war der Beginn eines langwierigen Prozesses, in dessen Verlauf Ungeheuerlichkeiten zum Vorschein kamen. So stellte sich heraus, dass Fuellmich am 13. Oktober 2023 in Mexiko entführt worden war. Dazu liegt folgende E-Mail an den Staatsanwalt vor: „Guten Tag Herr John, ab sofort ist geplant, Reiner Fuellmich unter dem Vorwand, er müsse noch eine Unterschrift im Reisepass korrigieren, in das Konsulat zu locken und ihn dann von der Migrationsbehörde festnehmen zu lassen. Ein Termin steht noch nicht fest, vermutlich KW 36 oder 37.“

Dazu äußerte sich der Staatsanwalt nicht, worauf Fuellmich bekräftigte: „Ja, es war eine Entführung.“ Er warf dem Staatsanwalt vor: „Wie ich jetzt aus der Akte ersehen kann, haben Sie weder den Grundsatz ‚audiatur et altera pars‘ — man höre auch die andere Seite — beachtet, noch den bei Anwendung des Paragrafen 266 Strafgesetzbuch besonders zu beachtenden Grundsatz, nämlich nicht nur belastend, sondern auch entlastend zu ermitteln, genutzt. Dies ist hier nicht geschehen, in keiner Weise wurde auch nur ansatzweise nach entlastendem Material gesucht.“

Fuellmich hält die Anschuldigungen gegen ihn für eine bösartige Kampagne. Er sei entsetzt gewesen, dass seit 1,3 Jahren heimlich gegen ihn ermittelt wurde, dass es eine „Standleitung“ der Anzeigeerstatter zur Staatsanwaltschaft gegeben habe, und das alles, ohne ihm auch nur ein einziges Mal rechtliches Gehör zu gewähren.

Eine Schikane sei, dass auch das Konto seiner Frau gepfändet wurde, sodass sie beide ohne Geld dastünden. Er fügte noch hinzu, die Anzeigeerstatter Antonia Fischer und Justus Hoffmann hätten sich fast gar nicht an den Verhandlungen des Corona-Ausschusses beteiligt, vielmehr sei ihr Interesse finanzieller Natur gewesen.

Die Verteidigerin Katja Wörmer erklärte, es bestehe der Verdacht, dass Inlandsgeheimdienst und Staatsanwaltschaft zusammengearbeitet hätten. Bei dem Zeugen Justus Hoffmann habe sie einen deutlichen „Belastungseifer“ festgestellt, als er bei der Befragung vor Gericht aussagte, dass der Tag der Festnahme des Angeklagten für ihn der schönste Tag gewesen sei und dass man alles dafür getan habe, dass die Verhaftung auch habe durchgeführt werden können. Nach ihrer Ansicht werde Reiner Fuellmich in Haft gehalten, „weil er Kritiker der Coronamaßnahmen ist“.

Die Überführung von der Vollzugsanstalt Rosdorf zum Landgericht in Handschellen mit Bauchgurt sei unverhältnismäßig und eine offensichtliche Demütigung.

Für Füllmich herrschen erschwerte Haftbedingungen: Er hat eine Stunde Hofgang täglich, die Besuchszeit ist auf drei Stunden im Monat beschränkt, Besuche müssen vorher angemeldet, Telefonate nach außen genehmigt werden. Die Post wird kontrolliert, weder Mobiltelefon noch Notebook sind zugelassen. Ein Antrag auf Hafterleichterung und ein weiterer auf Entlassung aus der Untersuchungshaft mit einer elektronischen Fußfessel wurden vom Oberlandesgericht Braunschweig abgelehnt.

Eine Merkwürdigkeit in diesem Prozess ist in der Tat, dass der Staatsanwalt John zahlreiche E-Mails mit den Anzeigeerstattern gewechselt und mit ihnen sehr oft telefoniert hat, was absolut unüblich ist. Äußerst dubios ist zudem, dass der Erlös aus dem Verkauf des Göttinger Hauses von Fuellmich in Höhe von 1,15 Millionen Euro, woraus er die Darlehen an die Stiftung zurückzahlen wollte, auf dem Konto des Anzeigeerstatters Templin gelandet ist. Die Verteidigerin trug vor: „Das Geld, um das es geht, ist vorhanden, nur nicht beim Angeklagten, sondern beim Anzeigeerstatter Templin“, der es offenbar nicht herausgeben will.

Das von Fuellmich gekaufte Gold hat zwischenzeitlich die Zeugin Viviane Fischer in Empfang genommen. Es wurde zur weiteren sicheren Verwahrung bei einem Goldhändler auf die Namen von Reiner Fuellmich und Viviane Fischer eingelagert. Wie nun mit den Spendengeldern nach Abschluss des laufenden Prozesses und eventueller weiterer Prozesse verfahren werden soll, erscheint derzeit ungewiss.

Als zweiten Paukenschlag in diesem seltsamen Verfahren brachte der Verteidiger Dr. Christoph Miseré Anfang April 2024 ein Dossier vom 24. August 2021 in den Prozess ein, das ihm zugespielt worden war. Aus dem Inhalt trug er in einem Interview vor:

„Es sollte eine Analyse durchgeführt werden, um die Möglichkeiten einer Unvereinbarkeitserklärung zu bewerten, die Reiner Fuellmich die Bekleidung politischer Ämter aufgrund nachgewiesener demokratiefeindlicher Tendenzen versagt. Die Einleitung strafprozessualer Maßnahmen auf Basis der gesamten Beweise gegen Reiner Fuellmich muss vorbereitet werden. Dies beinhaltet die Zusammenarbeit mit Staatsanwaltschaft und die Vorbereitung von Anklagen bei nachweisbaren Rechtsverstößen. Gegebenenfalls notwendige Konstruktionen sind abzuwägen und geeignete Drittakteure anzuwerben. Die Aktivitäten von Reiner Fuellmich stellen eine komplexe Herausforderung für die Sicherheitsbehörden dar, die eine koordinierte und vielschichtige Antwort erfordern. Die Umsetzung der empfohlenen Maßnahmen soll dazu beitragen, seine politische Tragfähigkeit zu unterbinden und die Sicherheit sowie die demokratischen Werte der Bundesrepublik Deutschland zu schützen“ (2).

In dem Interview sagte Dr. Miseré zu dem Sachverhalt, dass sich der Erlös aus dem Verkauf des Hauses von Fuellmich offenbar rechtswidrig im Besitz des Anzeigeerstatters Templin befindet: „Man hat zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen“, weder Fuellmich noch der unbequeme Corona-Ausschuss könnten jetzt über das Geld verfügen, und er setzte hinzu, Templin sei in einem Umfeld tätig, in dem es Leute gebe, die mit dem Bundeskriminalamt (BKA) und Geheimdiensten zusammenarbeiten (3).

Es hieß immer, das Verfahren gegen Reiner Fuellmich sei kein politischer Prozess, doch durch den intensiven Kontakt der Anzeigeerstatter mit dem Staatsanwalt John, die zitierte E-Mail an ihn und das von Dr. Miseré in den Prozess eingebrachte Dossier des Geheimdienstes — die Richtigkeit unterstellt — wurde dieses Verfahren, wenn auch nicht offiziell, hoch politisch.

Selbst unter Berücksichtigung, dass merkwürdige Transaktionen mit den Spendengeldern stattgefunden haben und dass Fuellmich viele Spender enttäuscht hat — was unlauter sein mag, aber nicht strafbar ist —, ist der Prozess gegen ihn aufgrund verschiedener Einflussnahmen rechtlich äußerst fragwürdig.

Wie schon bei der monatelangen Inhaftierung des Organisators der Berliner Großdemonstrationen gegen die Coronamaßnahmen, Michael Ballweg, oder bei der Diffamierungskampagne gegen den Herausgeber der inzwischen eingestellten, seinerzeit reichweitenstarken Internetplattform KenFM, Ken Jebsen, wird offenbar der Versuch unternommen, die Existenz Reiner Fuellmichs zu vernichten. Es bleibt abzuwarten, wie sich das Verfahren weiter entwickelt.


Redaktionelle Anmerkung: Dieser Beitrag erschien zuerst unter dem Titel „Der Prozess gegen Dr. Reiner Fuellmich bei apolut.